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Deutscher Schwerhörigenbund e. V.

Anhörung zur Fortschreibung der Produktgruppe 13 „Hörhilfen“ im Hilfsmittelverzeichnis der Krankenkassen

Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV Spitzenverband) ist derzeit dabei, die Produktgruppe 13 „Hörhilfen“ im Hilfsmittelverzeichnis fortzuschreiben. Das Hilfsmittelverzeichnis enthält nicht nur die - nicht abschließende - Aufzählung der für die Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten zugelassenen Hilfsmittel, sondern auch die  zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung erforderlichen indikations- oder einsatzbezogenen Qualitätsanforderungen an solche Hilfsmittel. Außerdem sind im Hilfsmittelverzeichnis die Anforderungen an die zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringenden Leistungen zu regeln. Das Hilfsmittelverzeichnis bildet damit zusammen mit der Hilfsmittelrichtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (HilfsM-RL), den Präqualifizierungsanforderungen für Hörakustiker sowie der Qualitätsvereinbarung zwischen Krankenkassen und HNO-Ärzten eine wesentliche Säule zur Gewährleistung einer bestmöglichen Hörversorgung mit Hörsystemen.

Bei der Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses sollen insbesondere folgende Inhalte überarbeitet werden:

  • die Gliederung und Definitionen
  • die Produktartenbeschreibungen
  • die Indikationen
  • die Qualitätsanforderungen an die Produkte und
  • die Qualitätsanforderungen an die Dienstleistungen.

Im Rahmen des Anhörungsverfahrens hat der Deutsche Schwerhörigenbund den Fortschreibungsentwurf des GKV-Spitzenverbands detailliert gesichtet und eine umfangreiche schriftliche Stellungnahme abgegeben.  Dabei geht es dem DSB unter anderem darum, Ballast in den Definitionen, Begriffen und Kategorien abzuwerfen, der teilweise noch aus den analogen Zeiten der 1990er Jahre stammt. Auch gilt es, wichtige Entwicklungen der letzten 20 Jahre nachzuvollziehen. Das betrifft zum Beispiel die präzisere Klassifizierung der hinzugekommenen Bauformen (HdO, RIC, Domes) oder die Tatsache, dass digitale Hörsysteme mittlerweile oft auch einen Tinnitusnoiser enthalten. Im Sinne einer Transparenz über wichtige audiologische Eigenschaften möchte der DSB künftig im Hilfsmittelverzeichnis neben der Anzahl der digitalen Kanäle auch Geräteeigenschaften wie Frequenzverschiebung, Windgeräusch- und Impulsschallunterdrückung oder die automatische Fokussierung von fixen oder sich bewegenden Signal- und Störquellen aufgeführt sehen.

Ein wichtiger Streitpunkt im Hinblick auf die technisch-audiologischen Eigenschaften der Hörsysteme ist die geforderte Anzahl der Frequenzkanäle für die digitale Signalverarbeitung. Der GKV-Spitzenverband möchte hier weiterhin an der 2013 festgelegten Zahl von 4 Kanälen festhalten. Zur Begründung werden von Seiten der GKV seit Jahren Studien angeführt, die eine höhere Anzahl von Kanälen als wirkungslos erwiesen hätten. Auf Nachfrage hat der GKV diese Studien jetzt vorgelegt. Dabei stellte sich heraus, dass die Studien sich ausnahmslos auf ein recht altes, sehr spezielles und mittlerweile als überholt anzusehendes Thema (die Dynamikkompression) beziehen. Diese Studien sind ausnahmslos anfechtbar wegen der selektiven Auswahl ihrer Probanden und hinsichtlich ihrer schlichten technischen Messanordnung, die keinerlei alltagsrelevante Hörsituationen abbildet. Noch dazu kommen sie zu keinem einheitlichen, sondern im Gegenteil zu absolut widersprüchlichen Ergebnissen. Die vom DSB für eine höher differenziertere Signalverarbeitung angeführten Vorteile bei der Richtungs- und Signalfokussierung, der Störgeräusch-Unterdrückung und dem Rückkopplungsmanagement werden von den angeführten Studien überhaupt nicht berücksichtigt.

Die Argumentation der zur Untermauerung der 4-Kanäle-sind-genug-Hypothese kann deshalb als widerlegt gelten. Auch konnte der DSB aus seiner Beratungserfahrung berichten, dass von den bundesweiten Hörakustik-Filialisten mittlerweile im aufzahlungsfreien Bereich ausnahmslos Systeme mit mindestens 8, in der Regel aber 10 bis 12 Verarbeitungskanälen angepasst werden. Dies allein muss als eine hohe Evidenz angesehen werden, dass 4-Kanal-Geräte mittlerweile als technisch überholt gelten müssen.

Am 6. Oktober hatten Renate Welter und Norbert Böttges in einer (Video-) Anhörung noch einmal die Gelegenheit, die Sicht und Argumente des DSB persönlich vorzutragen. Es bleibt spannend, ob sich der GKV-Spitzenverband wenigstens in Teilaspekten noch bewegt…

 

Ansprechpartner:
Dr. Norbert Böttges
norbert.boettges(@)schwerhoerigen-netz.de
Update: 22. Oktober 2020