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Deutscher Schwerhörigenbund e. V.

Spektrum Hören 6 / 2017

Vorwort des Vizepräsidenten des DSB e.V., Dr. Norbert Böttges

Liebe Leserinnen und Leser!

„Dagegen ist kein Kraut gewachsen.“ Hätte mir das jemand so gesagt, als mein Gehör Anfang der 1990er-Jahre erstmals spürbar nachließ, wäre ich wohl am Boden zerstört gewesen. Mein Arzt kleidete es deshalb in behutsamere Worte: „Die Prognose ist leider ungünstig.“ Den tieferen Sinn dieser Aussage verstand ich damals genauso wenig wie den Wert seiner Diagnose, dass die Ursache meiner Hörschädigung o‚ffensichtlich „idiopathisch“ (also unbekannt) sei. Von Bekannten erhielt ich unzählige Hinweise auf Therapien, die geeignet seien, mein Leiden zu heilen. Klangtherapie nach Tomatis, Biofeedback nach Dr. Greuel, Gingko-Laser, Hyperbarer Sauersto‚, Akupunktur, Yoga – es gab ja so viele Möglichkeiten, etwas gegen meineungünstige Prognose zu unternehmen. Eine wohlmeinende Stimme bezweifelte sogar, dass meine Ohren überhaupt geschädigt seien. Ich sollte einmal prüfen, ob ich nicht vielleicht einfach nicht mehr hören wolle.

Alle Methoden hatten wohl ausgearbeitete theoretische Grundlagen und nachvollziehbare Wirkungs zusammenhänge, und viele davon probierte ich aus. Mein Arzt – inzwischen zum Oberarzt ernannt – kommentierte meine Bemühungen irgendwann mit dem lapidaren Satz: „Die Tatsache, dass es so viele Methoden gibt, zeigt nur, dass keine wirklich hilft.“ Auch mit der Schulmedizin machte ich zu der Zeit meine eigenen Erfahrungen. 1995 hatte ich, über das Jahr verteilt, drei heftige Tinnitus-Episoden. Und dreimal war ich deshalb, dem damaligen Therapiestandard folgend, für zehn Tage zu einer Infusionstherapie in der Klinik. Mal schien es zu helfen, mal half es nicht, und beim dritten Mal begann wohl selbst der Professor an seiner eigenen Therapie zu zweifeln. Zur Rede gestellt, warum ich nun schon wieder zur Infusion aufgenommen worden sei, antwortete mein Oberarzt: „Ja, aber wenn es doch hilft…

Inzwischen hatte ich mich mit meinen Hörgeräten längst abgefunden. Sie halfen mir im täglichen Leben, wenn es auch Probleme in schwierigen Gesprächssituationen gab. Sie drängten auch meinen Tinnitus auf ein Maß zurück, das ich dann irgendwann vernachlässigen konnte. Ich hatte gelernt, dass ich als Patient o‚enbar selbst entscheiden musste, wann eine Therapie hilft und wann nicht. Mein Leben mit meinen Ohren hatte einen anderen Weg genommen, als ich mir zu Beginn vorgestellt hatte. Ich habe meine Hörschädigung nicht besiegt, sondern habe gelernt, mit ihr zu leben. In meiner Arbeit in der Selbsthilfe tre‚e ich auf viele Menschen, die bittere Einschränkungen ertragen müssen. Sehr unterschiedlich, wie sie damit zurechtkommen. Manche von ihnen sind wahre Lebenskünstler. Andere müssen hart kämpfen. Aber ob sonnig oder niedergeschlagen: Ich bewundere bei allen ihr große Tapferkeit. Am Ende gilt: Entscheidend ist nicht so sehr, wie gut oder schlecht wir objektiv „dran sind“. Entscheidender ist, wie wir uns fühlen. Manchmal kann es helfen, sich das richtige Ziel zu setzen.

Mit herzlichen Grüßen
Dr. Norbert Böttges
Vizepräsident des DSB

 

Sozialpolitik/Recht/Bauen

  • Wer nicht kämpft, hat schon verloren

Dirk Moos hat seit vielen Jahren ein Usher-Syndrom Typ II, das mit starken Hör-und Sehbeeinträchtigungen einhergeht. Um seine hochgradige Seheinschränkung auszugleichen, benötigt er Hörsysteme mit zusätzlichen Anforderungen, die allerdings über die üblichen Leistungen der Gesetzlichen Krankenkassen hinausgehen. Nach einer schicksalshaften Begegnung mit dem Deutschen Schwerhörigenbund beschließt Dirk Moos, für seine Rechte zu kämpfen. In seinem  Erfahrungsbericht erzählt er von den Herausforderungen, die ihm auf dem Weg zu seinen neuen Hörsystemen begegnet sind.

  • Barrierefreie Kommunikation im öffentlichen Raum

Im August 2017 fand das alljährliche Treffen des Landesverbandes Mitteldeutschland e. V. des Deutschen Schwerhörigenbundes (DSB) in Thüringen statt. Neben zahlreichen Mitgliedern von Selbsthilfegruppen nahmen auch Vertreter verschiedener sozialpolitischer Institutionen an der Tagung teil. Ziel der Veranstalter war es, auf Probleme hörbeeinträchtigter Menschen aufmerksam zu machen und aus der Beeinträchtigung resultierende alltägliche Hürden abzubauen.

Teilhabe/Rehabilitation

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Im Krankenhaus sind Menschen mit Hörbeeinträchtigungen auf Schrift- beziehungsweise Gebärdensprachdolmetscher angewiesen. Denn will der Arzt über eine Diagnose aufklären, ist es mit Piktogrammen oder Handzeichen nicht getan. Das gilt umso mehr, wenn Sie sich als aufgeklärter Patient genau informieren wollen oder sich für eine bestimmte Therapie entscheiden sollen.

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Vor einem Jahr haben wir über die Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für HNO-Heilkunde zur  qualifizierten Cochlea-Implantat(CI)-Versorgung berichtetet1. Jetzt haben sich auch die Krankenkassen in die Diskussion um die CI-Versorgung eingeschaltet. Federführend für die gesetzlichen Krankenkassen bereitet die Techniker Krankenkasse offensichtlich den Abschluss eines Versorgungsvertrages mit den implantierenden Kliniken vor. Hierzu hat sie die betroffenen Kliniken direkt angesprochen. Damit die Interessen der Patienten in dem neuen Prozess nicht auf der Strecke bleiben, melden sich jetzt auch die Selbsthilfe-Organisationen zu Wort.

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Mitte der 1980er-Jahre erlebte das Thema Tinnitus große Aufmerksamkeit seitens der Forschung und der Medien. Weil die Ohrgeräusche sehr quälend sein können, hofften die Betroffenen, dass sie durchmedikamentöse, operative oder apparative Therapien bald davon erlöst werden könnten. Zur selben Zeit entstand auch die Deutsche Tinnitus-Liga (DTL) als Selbsthilfeorganisation von Betroffenen.

  • Auge und Ohr kommen zusammen

Die medizinische und gesellschaftliche Entwicklung hat Menschen mit Sinnes- und anderen Einschränkungen einerseits eine bessere medizinische Rehabilitation und technische Unterstützung beschert. Andererseits brachte sie ihnen mehr Rechte in Schule und Ausbildung sowie Arbeits- und sozialem Leben. Auch deren Möglichkeiten der Mitwirkung und Mitbestimmung haben sich in den vergangenen 20 Jahren ständig erweitert. Was unter dem Begriff der „Partizipation“ mittlerweile an Patientenvertretungen, Inklusionsbeiräten, Arbeitsgemeinschaften und anderen Gremien auf Bundes-, Landes- und örtlicher Ebene ins Leben gerufen wurde, stellt die meist ehrenamtlich arbeitenden Selbsthilfeverbände der Betroffenen vor große personelle Herausforderungen. Auf Einladung des Deutschen Schwerhörigenbundes (DSB) trafen sich deshalb jetzt das Präsidium des DSB und der Deutschen Cochlea Implantat Gesellschaft (DCIG) sowie der Vorstand von Pro Retina in Frankfurt zu einem ersten Strategieworkshop. Erklärtes Ziel: Zusammenarbeit.

Termine/Veranstaltungen

  • Internationaler Kongress und DSB-Bundesversammlung 2017

Mit einem Doppelereignis im Berliner Hotel Steglitz International war der Deutsche Schwerhörigenbund e. V. (DSB) vom 06. bis 08. Oktober 2017 Ausrichter von gleich zwei Tagungen: dem Internationalen Kongress "Future Loops" und der Bundesversammlung des DSB.