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Deutscher Schwerhörigenbund e. V.

Ausgabe 01/2019

Liebe Leserinnen und Leser!

Vor einigen Monaten sah ich mich veranlasst, in einen befristeten Bahnstreik zu treten. Die andauernden und mittlerweile absurden Verspätungen der Bahn haben mich dazu bewogen, zunächst zeitlich befristet fest aufs Auto umzusteigen. Dieser Schritt der Verzweifiung hat mir überraschend einen ganz neuen Erlebensbereich erschlossen: das Autoradio.

Als Mensch mit einer starken Hörbeeinträchtigung ist mir die Weit des Radios weitgehend verloren gegangen. „Nebenbei” in Küche oder Bad Frühstücks- oder andere Radiosendungen zu hören, ist mir schon lange nicht mehr vergönnt. Im Auto aber kann ich die Lautstärke weiter aufdrehen und so das Fahrgeräusch übertönen. Dann kann ich - mit meinen Cl - Radiosendungen ganz gut folgen. Was für eine neue Weit hat sich mir da aufgetan in diesen bahnfreien Monaten, wo ich - wie viele andere sowieso - meine Fahrt zur Arbeit im Auto absolviere und das Radio laufen lasse!

Es sind nicht nur die informationen aus Politik, Stadt und Umland, Veranstaltungshinweise und Kurzreportagen, die mich mitten in das Leben der Welt und meiner Mitmenschen führen. Da lassen sich die Radioleute immer neue Aktionen einfallen, geben zum Beispiel in der Regionalbahn (was alleine mir schon in meiner speziellen Situation ein „lautes Schmunzeln"entlockte .. .) den gebeutelten Fahrgästen Kaffee aus und berichten über deren Reaktionen und Kommentare. Den Hörern werden Fragen gestellt, und aus ihren Antworten erfahre ich früher oder später nicht nur die richtige Antwort, sondern auch sonst noch vieles über Gott und die Welt. Die Moderatoren machen Sprüche und Späße, zelebrieren den „Tag der Gewürzgurke” und sorgen so schon am frühen Morgen für Stimmung und gute Laune.

ln diesen Wochen ist mir bewusst geworden, wie viel mir entgeht, wenn ich mich leichtfertig von bestimmten Quellen abschneiden lasse. Eine Hörbeeinträchtigung ist eben nicht nur ein vermindertes Einsilberverstehen im Störgeräusch. Hören beeinflusst unser ganzes Leben. Über unsere Ohren strömen uns ständig Eindrücke und Informationen zu, und daraus schöpfen wir - wenn wir es gut anlegen - Energie und Lebenskraft. Die gehen uns verloren, wenn es mit dem Hören nicht mehr so klappt.

Wir sprechen heute gerne von einem „neuen Behinderungsbegrifff". Man möchte weg von der medizinischen, „defizitorientieren” Bewertung einer Behinderung. Stattdessen soll das Leben als Ganzes in den Blick genommen werden - der Mensch mit seinen Möglichkeiten und Plänen genauso wie die Um- und Mitwelt mit ihren Veranstaltungen und Angeboten. Was ist mir möglich, und wo hindern mich - fremde und eigene! - Einstellungen und Barrieren an einer Teilhabe. „Inklusion“ bedeutet, dass die Gesellschaft sich zu Maßnahmen und Vorkehrungen entschlossen hat, Menschen mit Beeinträchtigungen an dieser Vielfalt soweit möglich uneingeschränkt teilhaben zu lassen. Das ist aber keine Einbahnstraße. Auch wir Betroffenen müssen uns offen halten für die Wege, Angebote und Hilfsmittel die uns diese Weit erschließen.

(Übrigens habe ich inzwischen einen Weg gefunden, auch unterwegs in öffentlichen Verkehrsmittein Radio zu hören. Über internet und Bluetooth. Sollte sich die Fahrplansituation also in fernerZukunft doch noch einmal entspannen, bekommt die Bahn eine neue Chance.)

Mit herzlichen Grüßen
Dr. Norbert Böttges, Vizepräsident des DSB

Sozialpilitik/Recht/Bauen

  • Eingliederungshilfe für Menschen mit Hörbehinderung?

Nach Verabschiedung des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) Ende 2016 blieb die Frage offen, ob Menschen mit einer Hörbehinderung künftig weiterhin zum leistungsberechtigten Personenkreis der Eingliederungshilfe gehören werden. DSB-Sozialreferent Andreas Kammerbauer schrieb damals von einem Damolclesschwert über den Köpfen der Hörbehinderten. Nun beleuchtet er die aktuelle Situation.

  • Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung:
    Die Beratungsstellen des Deutschen Schwerhörigenbundes

Das Angebot an unterschiedlichen Hörhilfen, rechtlichen Ansprüchen und vielem mehr ist nicht leicht zu durchschauen. Hilfreich sind dann die Beratungsstellen der Ergánzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB). Speziell fiir hörbeeinträchtige Menschen sind die EUTB-Beratungsstellen des DSB eine gute Anlaufstelle.

Neues aus den Verbänden

  • Qualitätsmanagement beim DSB: Interne Audits

Schon seit vielen Jahren betreibt der Deutsche Schwerhörigenbund (DSB) ein strenges Qualitätsmanagement. Fur einen ehrenamtlich aufgestellten, eingetragenen Verein ist das etwas Besonderes. Denn ein solches Qıualitätsmanagement erfordert, dass alle Prozesse - von der Mitgliederverwaltung über die Finanzwirtschaft, die Aus- und Weiterbildung, die Öffentlichkeitsarbeit, die persönliche und Online-Beratung bis hin zum Datenschutz - nicht nur benannt, sondern auch schriftlich strukturiert und in ihrem Ablaufgeregelt sind. Das hat Vorteile. Denn im gegebenen Fall ist klar; wovon man redet und was zu tun ist. Dem DSB ermöglicht es unter anderem, als zertifizierter Bildungsträger auch öffentlich geförderte Bildungsmaßnahmen durchzuführen. Es erfordert aber auch konsequente und beharrliche Arbeit- weshalb die meisten Verbände vor einem solchen Qualitätsmanagement zurückschrecken. Antje Brauhhage ist als Auditorin ganz wesentlich mit verantwortlich für diese Arbeit. Heute wendet sie sich mit einem ganzbesonderen Angebot an Sie als Leser.

  • Südtirol: Kulturelle Vielfalt zwischen Almen und Palmen

Unter dem Motto „Kulturelle Vielfalt zwischen Almen und Palmen“ lud der Bayerische Cochlea-Implantat-Verband e. V Hörbehinderte und gut Hörende im vorigen September zu seiner zweiten Studienreise nach Südtirol ein. Wie vor zwei Jahren führte uns Margit Gamberoni durch Geschichte, Geografie und Politik des Landes und brachte uns die Menschen mit ihrer Herkunft, ihrer Mentalität, ihrem Bildungswesen, ihrem volkskundlichen Brauchtum und ihren sprachlichen Unterschieden nahe.

Teilhane/Rehabilitation

  • Tester zur Funktionskontrolle von Höranlagen

Probleme mit Höranlagen in öffentlichen Gebäuden kennen viele Hörgeschädigte nur zu gut. Oft wurden diese nicht fachgerecht eingebaut, sodass sie nicht den erwünschten Nutzen für die Betroffenen bringen. Aber auch fachgerecht eingebaute Höranlagen müssen überprüft werden. Das geschieht nur selten, da oft keine Messgeräte zur Verfügung stehen. Manche Installateure und Betreiber von Höranlagen können nicht nachvollziehen, dass es bei der induktiven Übertragung immer wieder zu Funktionsstörungen und Qualitätsmängeln kommen kann. Abhilfe muss her.

  • Hörbarrierefreiheit in Fußballstadien

Vor gut einem Jahr kündigte der FC Bayern an, dass in der Münchener Allianz Arena ab sofort digitale Brillen für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen bereitstünden, die die Ansagen des Stadionsprechers in Echtzeit als Text darstellen. Damals hieß es: „Barrierefreiheit ernst zu nehmen, bedeutet, dass 20 hörbehinderte Menschen in der Allianz Arena genauso viel von einem Fußballspiel mitbekommen wie die 75 O00 hörenden Fans.“

Termine/Veranstaltungen

  • DSB-Selbsthilfetag, Bundesversammlung & Jubiläum -Eine Nachlese

Vom 18. bis zum 21. Oktober 2018fanden in Essen der Selbsthilfetag des Deutschen Schwerhörigenbundes (DSB), die DSB-Bundesversammlung und das 100-jährige Jubiläum des DSB-Ortsvereines Essen statt. Ein großes Projekt, ein vielfältiges Programm, von dem die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit reichen Eindrücken heimgekehrt sind. Lesen Sie dazu die beiden Berichte von Elke Schallmo und Bernd Rohloff. Zwei Berichte aus ganz unterschiedlicher Feder und Perspektive. Nehmen Sie beide zusammen und machen sich ein Bild, warum Sie in 2019 in Hamburg mit dabei sein wollen!

 

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