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Deutscher Schwerhörigenbund e. V.

Ausgabe 01/2020

Liebe Leserinnen und Leser!

Das „Gesetz zur Errichtung eines Deutschen lmplantateregisters” ist eines der Gesetze, die zum O1.01.2020 in Kraft getreten sind. Lange Zeit für mich von nur entfernter Bedeutung, wurde ich jetzt Teil einer Geschichte, durch die mir die Sache in neuem Licht erscheint.

Was Hören und Implantate angeht, sind wir meist auf Cochlea-Implantate (Cl) fixiert. Cls ersetzen - vereinfacht gesagt- bei an Taubheit grenzendem Hörverlust die „elektrische“ Übertragung des Schalls in unserem Innenohr. Weitgehend unbeachtet bleiben daneben jährlich mindestens ebenso viele Hörimplantate im Mittelohr. Die drei Hörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel stehen für eine ausgesprochen filigrane mechanische Übertragung der Luftschwingungen vom Trommelfell zur Hörschnecke. Ist deren Zusammenspiel gestört, kann durch eine Operation und ein Implantat das verlorene Hörvermögen oft weitgehend wiedergewonnen werden. Eine Operation, die genauso filigran ist wie ihre Knöchelchen. Und ein Implantat, welches ohne Stromversorgung und lebenslange
Nachsorge auskommt.

Stellen Sie sich nun vor, Sie tragen ein solches Implantat schon seit mehr als zwei Jahrzehnten. Sie haben es mittlerweile so gut wie vergessen. Aus gegebenem Anlass wird dann bei einer Untersuchung in Ihrem Gehirn eine unklare Gemengelage festgestellt. Eine Magnettomografie (MRT)-Untersuchung des Kopfes muss her - radiologische Routine. Aufeinmal aber wirft Ihr bisher so gutmütiges Mittelohrimplantat Fragen auf. Denn als Steigbügelersatz wurden viele Jahre „StahIdrähtchen” eingesetzt. Die sind magnetisch und mit dem starken Magnetfeld eines MRT-Gerätes absolut unverträglich.

Nun könnten Sie Glück haben. Denn irgendwann wurde Stahl durch nicht magnetisches Titan oder Platin ersetzt. Jetzt glauben Sie, dass Sie 25Jahre nach der Operation noch feststellen können, welches Material in Ihrem Ohr „verbaut” wurde. Irrtum: Die spärlichen, teils handschriftlichen Unterlagen, die sich im Krankenhaus noch auftreiben lassen, enthalten viele Einzelheiten - aber keinen einzigen Hinweis auf Form, Material oder Hersteller des Implantates. In der Literatur trägt das
Drähtchen zwar den stolzen Namen Stapesplastik, bei der Operation aber war es nicht einmal einer Erwähnung wert.

Unter den herangezogenen Experten entspinnt sich eine lebhafte Diskussion. Zwischen „fast sicher Titan” und „mit Sicherheit kann man nicht einmal sagen, wer operiert hat" von „Augen zu und durch" bis „auf keinen Fall',' von „wenn es denn aus Stahl ist, verrutscht es höchstens" über „kann es sich im Kopfselbstständig machen” bis... im Magnetfeld erhitzen und Gewebe zerstören"? Niemand will die Verantwortung übernehmen und am Ende stehen Sie als Patient mit Ihrer Not und Entscheidung alleine da.

So geschehen einer Patientin, die ihr Stapes-lmplantat Anfang der 1990er-Jahre erhielt. Freuen wir uns also, wenn ab sofort Implantate zuverlässig an zentraler Stelle registriert werden. Unser konkretes Problem wird das neue Register allerdings doch nicht lösen. Denn unter den künftig zu meldenden Implantattypen ist zwar das CI, nicht aber eine Stapes-Plastik. Wer ein Mittelohrimplantat erhält - oder bereits besitzt-, sollte sich deshalb zeitnah Unterlagen über Form, Material, Hersteller und Typ des Implantates besorgen und diese zuhause gut aufbewahren. Denn wer weiß, was uns die Zukunft noch an Untersuchungs- und Behandlungsmethoden bescheren wird?

Mit herzlichen Grüßen
Norbert Böttges

 

Neues aus den Verbänden

  • Grußwort des neuen DSB-Präsidenten

Der im September neu gewählte Präsident des Deutschen Schwerhörigenbundes (DSB) will den Dialog der Mitglieder untereinander und die Zusammenarbeit mit anderen am Thema Interessierten ausbauen, um den DSB nach innen und außen zu stärken. Strategiekonferenzen in vier deutschen Städten sind in Planung.

  • Selbsthilfe unverändert wichtig

Am Rande des Hamburger Selbsthilfetages des Deutschen Schwerhörigenbundes (DSB) unter dem Motto „DazuGEHÖRen - besser hören, mehr verstehen, leichter leben" führte Oliver Simon ein Interview mit Dr. Norbert Böttges, dem scheidenden Vizepräsidenten des DSB. Simon sprach dabei einige zentrale Themen des DSB-Selbsthilfetages an.

Teilhabe/ Rehabilitation

  • Erfahrungsbericht - Wie ich zum Cl kam

Ursprünglich wollte Björn Haase seine Reise vom Unentschlossenen hin zum überzeugten Cochlea-Implantat (CI)-Träger nur für sich persönlich und seine Familie als Tagebuch festhalten. Dann fanden die Aufzeichnungen des von Geburt an auf beiden Seiten stark schwerhörigen Berliners so viel Anklang in seinem Umfeld, dass er mit seinem CI-Blog nun auch anderen Menschen bei ihren Überlegungen zum CI eine Entscheidungshilfe geben möchte.

  • Induktive T-Spulen-Technik auf Sicht im Öffentlichen Raum ohne Alternative

Ankündigungen von neuen Technologien zur drahtlosen Höriibertragung haben in der Vergangenheit immer wieder Verunsicherung erzeugt, ob die Ausstattung ojffentlicher Räume mit Induktiven Höranlagen noch zeitgemäß ist. Um die Perspektive einer herstellerubergreifenden digitalen Übertragungstechnik zu klären, beriet sich ein internationales Komitee in den vergangenen Monaten und legte jetzt seinen Abschlussbericht vor. Ergebnis: Die induktive T-Spulen-Technik bleibt für Höranlagen im öffentlichen Raum noch lange Zeit ohne Alternative.

Termine/ Veranstaltungen

  • Mee(h)r hören im Bildungsurlaub

Im Bildungsurlaub aufder ostfriesischen Insel Langeoog konnten sich die Teilnehmer vom alltäglichen Hörstress entspannen. Sie lernten auch durch Methoden einer aktiven Hörstrategie, künftig besser mit den Anforderungen des Berufslebens umzugehen.

  • Inklusion digital vorantreiben

Parallel zur internationalen Fachmesse REHACARE fand am 19. September 2019 das zweite M-Enabling Forum Europe in Düsseldorf statt. Das Ziel dieses Forums ist es, Technologien und Verfahren der Barrierefreiheit voranzutreiben. Unsere Autorin Claire Sabler Landesmann vom österreichischen Schwerhörigenbund (OSB) war zusammen mit der damaligen Vizepräsidentin des Deutschen Schwerhörigenbundes (DSB), Renate Welter; als Vertreter der deutschsprachigen Selbsthilfeverbände mit dabei.

  • Hessisches Netzwerk bündelt Kräfte

Gegenwärtig gehen 1 369 Kinder mit Hörschädigung in hessischen Regelschulen zum Unterricht, 769 Kinder besuchen Förderschulen. Wie können die Bildungschancen dieser Kinder verbessert werden? Darüber diskutierten Experten und Betroffene Anfang November im Zentrum der Frankfurter Stiftung für Gehörlose und Schwerhörige.

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