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Deutscher Schwerhörigenbund e. V.

Ausgabe 01/2021

Liebe Leserinnen und Leser!

„Planung unter Unsicherheit” - das war eins der Lieblingsthemen meines Doktorvaters. lm abgelaufenen „Corona-Jahr eins” konnte ich mir zu diesem Thema - jenseits von Okonomie und Wissenschaft- ganz neue Gedanken machen.

Ohne Zweifel: Unsicherheit lähmt. Schön ist es, wenn die Zukunft uns fest und sicher vor Augen steht. Selbst dann sind viele Pläne und Projekte noch genug Arbeit. Was aber, wenn vieles, was kommt und kommen mag, unsicher ist? Mit dieser Aussicht mussten wir in den vergangenen zehn Monaten fast ständig leben. Steigen die Zahlen - fallen die Zahlen? Kommt es zu einem Lockdown? Und wie lange hält er an? Wie wird es in drei, in sechs Monaten aussehen? Was wird gesetzlich erlaubt, was verboten sein? Und was werden wir -jenseits des Erlaubten - dann verantworten können?

Nicht wenige sind deshalb in den vergangenen Monaten in eine Art Schockstarre gefallen. Verständlich, denn wer plant schon gerne ständig um? Wirft mühsam Erarbeitetes weg und ersetzt es durch Neues? Wer riskiert aus freien Stücken, am Ende trotz aller Bemühungen zu scheitern?

Aber was ist die Alternative? Gar nichts tun? Unsicherheit zwingt zur Flexibilität mit System. Unsicherheit will in einen Plan mit eingearbeitet sein. „Agile Programmentwicklung” war meine überraschende Entdeckung, nachdem sich unzählige Projekte nach dem klassischen „Wasserfallmodell” in grandiosen und kostspieligen Sackgassen verlaufen hatten. Mut zur Lücke, mit Prototypen nach vorne gehen, das Vorstellungsvermögen Schritt für Schritt fortentwickeln, laufende Lern- und Änderungsprozesse nicht nur passiv einkalkulieren, sondern aktiv willkommen heißen: so wird ein Schuh draus.

Wo andere viele Veranstaltungen „coronabedingt” abgesagt haben, haben wir im Deutschen Schwerhörigenbund im vergangenen Jahr eine ganze Reihe von Präsenzangeboten durchgeführt. Von unseren regionalen Informationstagen haben wir berichtet; einen weiteren Bericht finden Sie in dieser Ausgabe auf Seite 51. Unser Selbsthilfetag Anfang Oktober in Köln (siehe Seite 46 ebenfalls in diesem Heft) war ohne Zweifel die größte Herausforderung. Der Aufwand - nicht nur die Kosten zusätzlicher Räumlichkeiten, sondern ganz besonders der notwendige Mehreinsatz ehrenamtliche Helfer - war immens. Bis zuletzt war unsicher, unter welchen Regeln und ob überhaupt Selbsthilfetag und Bundesversammlung würden stattfinden können. Aber er hat sich gelohnt. Die Teilnehmer dankten es durch Disziplin und ein spürbares Aufatmen, dass eben doch nicht alles „der Pandemie” zum Opfer fiel. („Köln Riehl” hatte übrigens keine Folgen im Hinblick auf Nachverfolgungen. Ich gebe zu: Wir waren sehr erleichtert.)

Unsicherheit belebt. Neue Formate sind entstanden. Die Deutsche CI-Gesellschaft hat Mitte des vorigen Jahres mit LAUTstark einen sehr gelungenen „Talk rund ums Hören” ins Leben gerufen. Per Video, absolut kontaktfrei und unbedingt empfehlenswert. In Nordrhein-Westfalen hat der Deutsche Schwerhörigenbund mit digitalen Selbsthilfetreffen begonnen. Ebenfalls per Video. Denn die Erkenntnis, wie wichtig bei der Bewältigung von Hörverlust, Tinnitus und Schwindel der persönliche Austausch ist, darf bei geschlossenen Beratungsstellen nicht auf der Strecke bleiben. Und ich bin sicher: Auch wenn wir eines Tages alle „durchgeimpft” sind, werden viele der neuen Angebote bleiben. Denn Veränderung macht Laune!

Gehen wir also mit Tatkraft ins -
Corona-Jahr zwei. Es ist unser
Neues Jahr!

Dr. Norbert Böttges

 

Neues aus den Verbänden

  • Starke DSB Bundesversammlung

Im Anschluss an seinen Selbsthilfetag (siehe Seite XX) hatte der Deutsche Schwerhörigenbund (DSB) seine Orts- und Landesverbände am 10. Oktober 2020 zur Jahreshauptversammlung eingeladen. Trotz Corona entsandten 33 Mitgliedsvereine ihre Delegierten nach Köln. Da es keine besonderen vereinsformalen Tagesordnungspunkte zu bewältigen gab, hatte der im Vorjahr neu gewählte Vorstand umso mehr Raum, seine „neue Arbeit“ vorzustellen.

  • Aktivierung der T-Spulen ist JETZT besonders wichtig!

Der Deutsche Schwerhörigenbund (DSB) und die Deutsche Cochlea Implantat Gesellschaft (DCIG) haben gemeinsam einen offenen Brief verfasst, der an Hörakustiker appelliert, auch und gerade in Zeiten der Coronapandemie die Aufklärung über die Telefonspule (T-Spule) nicht zu vernachlässigen. Hier wird er im Wortlaut abgedruckt.

  • DSB-Informationstag Ost lnformationslücken schließen, Vertrauen aufbauen

Wegen strenger Auflagen durfte der Infotag Ost des Deutschen Schwerhörigenbunds (DSB) am 02. Oktober 2020 in Leipzig nur mit 20 Teilnehmern stattfinden. Mitglieder mit weiter Anreise hatten bei der Auswahl Vorrang. Sie kamen aus Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Thuringen. Wieder einmal wurde deutlich, wie wichtig die Gemeinschaft der Hörgeschädigten für die Bewältigung der aktuellen Herausforderungen ist.

  • Richtigstellung

In „Spektrum Hören“ 6/2020 berichteten wir über die Aktion BTHVN 250/16 des Bonner Vereins des Deutschen Schwerhörigenbundes. Mit einer Installation von 250 Hasen - davon 16 Prozent mit „beschädigten Ohren“ - macht der Verein darauf aufmerksam, dass Beethovens Schicksalsgemeinschaft der Schwerhörigen und Ertaubten beträchtlich ist. Zur Unterstützung des Projekts können Interessierte die Hasen nach Abschluss der Aktion erwerben. Beim Preis für den Erwerb eines Einzelhasen ist uns dabei ein Fehler unterlaufen: Ein Hasenset mit fünf weißen und einem roten („schwerhörigen“) Hasen kostet 130 Euro, ein Einzelhase 35 Euro (nicht 30 Euro, wie irrtümlich geschrieben). Ein Formular zur Subskription gibt es auf der Internetseite des Vereins: vvvvvv.schwerhoerigenverein-bonn.de.

Sozialpolitik/Recht/Bauen

  • Das Hilfsmittelverzeichnis der gesetzlichen Krankenversicherung

Über Hilfsmittel, die im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erstattet werden, fährt der
Spitzenverband der Krankenkassen das sogenannte Hilfsmittelverzeichnis. Es enthält nicht nur die
technischen Anforderungen zum Beispiel an Hörsysteme, sondern auch an die im Rahmen der
Versorgung mit ihnen zu erbringenden (Dienst-)Leistungen. Damit ist das Hilfsmittelverzeichnis
von entscheidender Bedeutungfur Qualität und Eigenschaften von Hörgeräten und den Versorgungsprozess.

Teilhabe/Rehabilitation

  • Von Nachtigall und Überschall

Wie es sich anfühlt, wenn sich einstürzende Spielzeugtürme wie Bombendetonationen anhören, weiß Mareike Haas nur zu gut. Schon als Kind störten sie die Geräusche ihrer Mitschüler die sich mit dem Kopf zu ihr drehten, nachdem sie sich im Unterricht zu Wort gemeldet hatte. Das behielt sie damals lieber für sich. Als Erwachsene ließ sich das Leiden bei der Arbeit im Großraumbüro nicht mehr verbergen. Hier und in der kommenden Ausgabe erzählt unsere Autorin, wie sie schließlich nach einem ärztlichen Hürdenlauf die erlösende und verwirrende Diagnose Hyperakusis erhielt und ihr Leben daraufhin neu ausrichtete.

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