Ausgabe 05/2021
Liebe Leserinnen und Leser!
Mit den Unwetter-Ereignissen in der Nacht vom 14. aufden 15. Juli 2021 an Ahr, Swist und Erft hat uns nach Coronavöllig ungebetenein weiteres Großthema des menschlichen Überlebenserreicht. Wer dabei nicht nur den Schwall der täglichen Einzelberichte verfolgt, sondern auch gelegentliche Rückblicke in die vergangenen 20 oder 30 Jahre nachvolizieht, wird erkennen, dass weder Pandemie noch Jahrtausendhochwasser wirklich überraschend gekommen sind. Nein, Pandemien und Naturextreme gab es in den vergangenen Jahrzehnten gewissermaßen in schöner Regelmäßigkeit. Und auch Vorsorge sowohl für medizinische als auch für klimatische Katastrophen wird seit Langem verhandelt und teilweise sogar getroffen - auf nationalem, europäischem und Weltniveau. Nur, so richtig ernst haben wir das bisher kaum genommen. Und das darfman mindestens ebenso sehr auf uns Bürgerinnen und Bürger beziehen wie auf„die Politik“ Auch die aktuelle Diskussion zeigt, dass wir wieder gern die großen Zusammenhänge unter der Fülle der Details, Behindlichkeiten und Bedenken verschütten. Lästige, mühsame oder gar kostenträchtige Maßnahmen werden weiterhin von Monat zu Monat, von Jahr zu Jahr aufgeschoben, mit dem Hinweis auf einen konkret im Einzelfall noch nicht erbrachten wissenschaftlichen Beweis oder auf die wirtschaftlichen Einschränkungen und sozialen Widerstände.
Welche Schmerzgrenzen wir brauchen, damit in Sachen Pandemie-Einhalt oder Klimaschutz in Gesellschaft und Politik der nötige Ernst für kehrtwendende Veränderungen aufkommt,wird die Zukunft zeigen. Aus der Sicht der Menschen mit Hörbeeinträchtigungen stellt sich in diesem Zusammenhang aber eine sehr aktuelle Frage: Gesetzt den Fall, wir haben eines Tages gelernt, mit Früh- und Akutwarnsystemen angemessen umzugehen - wie erreicht uns Hörgeschädigte dann im Falle eines Falles eine Notfallwarnung? Eine Aufforderung zur Evakuierung? Die Warnung vor einer Jahrtausend-Katastrophe, die - wie wir jetzt gesehen haben - mit einer Vorwarnzeit von wenigen Stunden über uns hereinbrechen kann? Und das auch mitten in der Nacht?
Ähnliche Fragen haben wir in den vergangenen zwanzig Jahren schon an anderer Stelle untersucht - und Lösungen gefunden. Für den persönlichen Notfall - medizinisch oder polizeilich - wurde schrittweise eine barrierefreie Notfall-Meldung entwickelt, vom Notfall-Fax über einen dolmetschervermittelten Meldedienst bis hin zur aktuellen Notruf-App (siehe Spektrum Hören 3/2020, 4/2020, 3/2021, 4/2021 sowie Seite XX dieser Ausgabe). Auchdiejetzt zu diskutierenden Systeme, deren Kommunikationsweg in umgekehrter Richtung verläuft, sollten sich barrierefrei gestalten lassen. Eine Anfrage des Cl-Verbandes bei den Herstellern von Lichtsignalanlagen haterste Ansätze zutage gefördert, wie eine Alarmierung in das Konzept der bekannten und bewährten Lichtsignalanlagen integriert werden kann. Nebender eigentlichen Alarmierung muss im Katastrophenschutz auch die Informations- und Nachrichtenfunktion bedacht werden. Dabei sind eventuelle Sprachbarrieren - Gebärdensprache, leichte Sprache - zu überwinden.
Ein neues, wichtiges Thema. Ein Thema, das den Einsatz und die Anstrengung der Selbsthilfe erfordert - und lohnt.Vielleicht ein Kipppunktfür den einen oder die andere, sich jetzt in der Selbsthilfe zu engagieren. Packen wir auch das an!
Norbert Böttges
Sozialpolitik/Recht/Bauen
- Wahlprüfsteine von DSB und DCIG - Antworten der Parteien
Der Deutsche Schwerhörigenbund (DSB) und die Deutsche Cochlea Implantat Gesellschaft (DCIG) haben die Bundestagswahl zum Anlass genommen, in Wahlprüfsteinen Fragen an die Parteien zu aktuellen Themen der Teilhabe von Menschen mit Hörbeeinträchtigungen zu stellen. Die Fragen haben wir in „Spektrum Hören“ 4/2021 veröffentlicht. Bei Redaktionsschluss lagen erste Antworten von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen vor. Weitere werden folgen.
Neues aus den Verbänden
- DSB-Selbsthilfetage 2021 in Bremen
Es ist Zeit für das „Abenteuer Hören“. Die Selbsthilfetage 2021 des Deutschen Schwerhörigenbundes (DSB) stehen vor der Tür. Vom 23. bis zum 26. September 2021 gibt es im Bremer Bürgerzentrum Neue Vahr Wissen, Selbsthilfe, Verbandsarbeit und Kulturprogramm - nicht nur für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen.
- Regional bestens informiert
Die 2020 erstmals veranstalteten regionalen Informationstage des Deutschen Schwerhörigenbundes e. V. hatten in diesem Jahr ihren Auftakt am 17. Juli 2021 in Frankfurt. Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Hessen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland machten die Veranstaltung zu einem echten Regionaltag. Im Fokus standen Cochlea-Implantat-Versorgungen und die Verbandsarbeit.
- DSB-HÖRMobil auf Fachmesse der Sozialwirtschaft
Die HÖRMobil-Tour des Deutschen Schwerhörigenbundes e.V. (DSB) ist am 10. und 11. November 2021 aufder ConSozialin Nürnberg. Die Veranstalter bezeichnen die ConSozialals die Leitmesse der Sozialwirtschaft in Deutschland. Nicht nur die HÖRMobil-Tour ist deshalb ein guter Grund für einen Abstecher nach Nürnberg.
- EUTB-Onlineberatung neu als Einzelchat in Textform
Das Angebot des Deutschen Schwerhörigenbundes e.V. umfasst vielfältige Beratungsangebote. Neuerdings sind auch Einzelchattermine in Schriftform möglich.
Teilhabe/Rehabilitation
Die automatische Erkennung gesprochener Sprache und ihre Umsetzung in Schrifttext haben in den vergangenen fünf Jahren enorme Fortschritte gemacht. Auf Smartphone,
Tablet oder PC gibt es mittlerweile kostenlose Angebote für eine automatische Spracherkennung (ASR). Auch viele Hörgeschädigte nutzen sie deshalb inzwischen durchaus
für private Zwecke. Angesichts der dabei zuweilen auftretenden Missgriffe - manchmal verläuft sich eine solche App auch regelrecht im Wald - kann man da gerne einmal schmunzeln. Im Beruf, vor Gericht oder bei öffentlichen Veranstaltungen möchte man sich auf eine solche „Transkription“ lieber nicht verlassen. - Der Bundesverband der
Schriftdolmetscher:innen Deutschlands (BSD) hat Nutzen und Grenzen der Technik in einer Stellungnahme zusammengestellt, die auch vom Deutschen Schwerhörigenbund
(DSB) unterstützt wird.
- Digitale Tinnitus-Therapie auf Rezept
Sie ist nicht die erste App, die sich der Therapie von chronischem Tinnitus annimmt. Sie ist aber die erste App, die es zur Anerkennungals Digitale Gesundheitsanwendung (DiGA) geschafft hat. Seit einigen Monaten gibt es die App Kalmeda aufRezept, Damit werden ihre Kosten ohne Wenn und Aber von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommen. Was ist also das Besondere an der App?
Termine/Veranstaltungen
- Zwischenbilanz: Gemeinsam gegen Hörbarrieren
In Deutschland leben mehr Bürger mit einer Hörschädigung als mit irgendeiner anderen körperlichen oder Sinnesbeeinträchtigung. Kaum jemand hat aber eine Vorstellung, mit welchen Hindernissen dies für viele Millionen Menschen Tag für Tag verbunden ist. Die Deutsche Cochlea Implantat Gesellschaft (DCIG) und der Deutsche Schwerhörigenbund (DSB) haben deshalb im Frühjahr die Aktion „Gemeinsam gegen Hörbarrieren“ ins Leben gerufen (siehe „Spektrum Hören“ 3/2021). Anlässlich des 15. Deutschen CI-Tages am 12. Juni 2021 zog die DCIGjetzt eine erste Bilanz.
Bestellformular Spektrum Hören (ausfüllbares PDF)