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Deutscher Schwerhörigenbund e. V.

Ausgabe 05/2022

Liebe Leserinnen und Leser,

die Versorgung von Menschen mit hochgradigen Hörverlusten mit Cochlea-Implantaten (Cls) hat längst nicht mehr den Status einer medizinischen Ausnahmeleistung. Diagnoseverfahren, Operationstechniken und die Qualität der Implantate und Prozessoren haben nach 40 Jahren ein hohes Niveau erreicht. In mehr als 100 Kliniken in Deutschland gehören Cochlea-Implantationen heute zur Operationsroutine.

Derzeit tragen etwa 50.000 Menschen in Deutschland Cls. Gemessen am medizinischen Potenzial bedeutet dies eine erhebliche Unterversorgung. Die Akteure der Cl-Szene sprechen - je nach Quelle - von 500000 bis deutlich über eine Million „Cl-Kandidaten” Es zeigt sich, dass hochgradig schwerhörige Patientinnen und Patienten inzwischen regelmäßig als Cl-Kandidaten angesehen werden und sich die Indikation für ein Cochlea-Implantat zudem immer mehr in den mittleren Bereich eines Hörverlusts verschiebt.

Über diese Verschiebung geraten die großen Bemühungen und die erstaunlichen Erfolge, die verschiedene Hörsystemhersteller hinsichtlich der Versorgung hochgradiger und an Taubheit grenzender Hörverluste erzielt haben, zunehmend in den Hintergrund. Die Branchenzeitschrift „Hörakustik” und jetzt auch „Spektrum Hören” machen deshalb in ihren aktuellen Ausgaben aus gutem Grund die Versorgung hochgradiger Hörverluste zum Schwerpunktthema.

Dabei geht es schon lange nicht mehr nur darum, über eine hohe Verstärkung und passende Hörer einen großen Ausgangsschalldruck zu erzeugen. Die Digitaltechnik hat viele Möglichkeiten eröffnet, auf die Besonderheiten hochgradiger Hörverluste gezielt und passgenau einzugehen. So wird mit zunehmender Schädigung des Innenohrs der Spielraum hinsichtlich des nutzbaren Hörbereichs immer kleiner. Das erfordert große Genauigkeit und Variabilität bei der Einstellung von Hörschwelle, Lautheitsskalierung und maximaler Lautstärke. Ausgefallene („tote“) Hörbereiche können durch eine Frequenzmodifikation „umgangen“ werden; so kann das Sprachverstehen wieder mit entscheidenden Schallbestandteilen angereichert werden. Und das ist noch nicht das Ende der Möglichkeiten!

Eine einfache Rechnung zeigt: Bei der aktuellen Zahl von etwa 5.000 CI-Versorgungen pro Jahr in Deutschland würde es noch 100 Jahre dauern, bis die angestrebte Zahl von 500.000 CI-Versorgten erreicht wäre ... Dies verdeutlicht, dass sich die Versorgung auch hochgradiger und an Taubheit grenzender Hörverluste noch lange Zeit ganz wesentlich auch auf die klassischen Hörsysteme stützen muss. Hier bleiben Hörakustiker und Hörsystemhersteller gefordert, mit ihren Bemühungen nicht nachzulassen, damit es für die Betroffenen nicht zu einer Unterversorgung kommt. Deshalb erinnert auch die Bundesinnung der Hörakustiker (biha) daran, dass es weiterhin auch Lösungen jenseits des Implantats gibt.

Nicht zuletzt gilt, dass die Entscheidung für oder gegen ein Cl nicht nur eine medizinische ist, sondern auch eine sehr persönliche. Bei aller Euphorie über die Möglichkeiten der modernen Cis darf die Hörgeräteversorgung nicht vernachlässigt werden.

Ihr

Norbert Böttges

 

Sozialpolitik/Recht/Bauen

  • Vorsorge: Hörscreening ab 50

Etwa zwei Drittel aller Menschen entwickeln früher oder später eine ausgeprägte Altersschwerhörigkeit. Deren Bedeutung wird allerdings von den Betroffenen und auch von Medizinern gerne unterschätzt. Dabei kann eine Altersschwerhörigkeit vielfältige Folgen haben. Der Deutsche Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V. (BVHNO) unternimmt deshalb zusammen mit den Verbänden der Selbsthilfe einen neuen Vorstoß, eine Vorsorgeuntersuchung ab 50 Jahren in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen.

Neues aus den Verbänden

  • Rückblick: Der Infotag West im Saarland

Mit seinen vier Infotagen Nord, Süd, Ost und West fördert der Deutsche Schwerhörigenbund e.V. (DSB) die länderübergreifende Information und Zusammenarbeit der Akteure der Hörgeschädigtenselbsthilfe. Nach Nordrhein-Westfalen (Köln 2020) und Hessen (Frankfurt 2021) trafen sich die Mitglieder und Gäste aus dem Westen in diesem Jahr am 27. Juli im saarländischen Neunkirchen. Wieder gab es eine ebenso bunte wie interessante Mischung aus hochkarätigen Vorträgen, spannenden Diskussionsrunden und einem intensiven Erfahrungsaustausch.

  • Seminar: Kommunikation für Schwerhörige und mit Schwerhörigen

Auf Einladung des Landesverbands Nordrhein-Westfalen des Deutschen Schwerhörigenbundes e.V. (DSB) trafen sich Mitte Juli 20 Interessierte in Königswinter zu einem Selbsthilfeseminar zum Thema „Kommunikation für und mit Menschen mit Hörbeeinträchtigungen“. Jutta Franke aus Hamburg war eine der Teilnehmerinnen und berichtet über ihre Eindrücke.

Teilhabe/Rehabilitation

  • Gefahrensituationen mit Hörbeeinträchtigungen

Starkregen, Hochwasser und Waldbrände: Die Ausschläge des Wetters in Deutschland werden immer extremer. Spätestens jetzt machen sich viele Menschen mit Beeinträchtigungen Gedanken, wie sie im Ernstfall eine brenzlige Rettungssituation meistern würden. Katja Bennemann vom Deutschen Schwerhörigenbund e.V. (DSB) Dortmund hat an einer Katastrophenschutzübung der Dortmunder Feuerwehr teilgenommen und berichtet über ihre Erfahrungen.

  • Hörbarrierefreie Ausstellung im Bonner Haus der Geschichte

Das Bonner Haus der Geschichte stattete zum zweiten Mal eine Ausstellung mit besonderen Vorkehrungen für Menschen mit einer Hörbeeinträchtigung aus. Nicht nur kann die museumseigene induktive Höranlage genutzt werden, auch gibt es Stationen mit induktiven Hörinseln, Kopfhörer mit induktivem Hörfeld sowie durchgängig mit Untertiteln versehene Videos. Michaela Großjohann hat die Ausstellung „Heimat“ besucht und schildert im Folgenden ihre Eindrücke.

Termine/Veranstaltungen

  • Vielfältiges Programm bei den DSB-Selbsthilfetagen 2022

Die DSB-Selbsthilfetage vom 9. bis 11. September 2022 finden in Frankfurt (Oder) statt. Sie stehen unter dem Leitthema „Empowerment - für einen selbstbewussten Auftritt Hörbeeinträchtigter im Ehrenamt und im Beruf“. Die Teilnehmenden erwartet ein vielfältiges Programm.

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