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Deutscher Schwerhörigenbund e. V.

Ausgabe 02/2018

Vorwort des Vizepräsidenten des DSB e.V., Dr. Norbert Böttges

Liebe Leserinnen und Leser!

Frühjahrszeit ist Hausputzzeit. Großreinemachen in unserem Kölner Vereinskeller. Dabei stießen wir auf zwei Kisten mit „nicht mehr gebrauchter Technik“. Die Aktion wurde zu einem nostalgischen Ausug in vergangene Zeiten.

1928, als der Kölner Schwerhörigenbund gegründet wurde, hatten Schwerhörige selten persönliche Hörgeräte. Hörgeräte waren exotisch und teuer. Die Betroffƒenen waren halt schwerhörig und halfen sich irgendwie durch. Indem sie sich zu einem Verein zusammenschlossen, konnten sie für die gemeinsamen Versammlungen Technik anschaƒen und so einmal in der Woche ihr Inseldasein verlassen. Wir stießen auf eine kleine Kiste mit 15 antiken Taschenhörgeräten. Durchaus schlanke Geräte mit Batteriebetrieb und einem (einem!) voluminösen Kristallkopfhörer. Sie wurden bei den Gruppentreƒen ausgeteilt – und für zwei, drei Stunden konnten die Teilnehmer wieder in die Welt des Hörens und Verstehens eintauchen. Ein gutes Werbeargument auch für die Vereine, die schnell neue Mitglieder gewannen.

Zu den weiteren Fundstücken gehörte der Mini-Fonator. Mangels privater Hörgeräte war zuhause das Lippenabsehen angesagt. Absehkurse waren deshalb damals sehr beliebt und verbreitet. Aber von den Lippen lässt sich nur ein Drittel aller Laute absehen, der Rest versteckt sich hinter den Zähnen. Findige Ingenieure kamen deshalb auf die Idee, die Sprache in Vibrationen zu wandeln und so einen weiteren Sinn – die Haut – am Sprachverständnis zu beteiligen. Der auf diesem Prinzip basierende Mini-Fonator mutet äußerst modern an. Sein Herzstück, der „Vibrator“, wurde wie eine Armbanduhr getragen und sieht aus wie ein modernes „Wearable“. Vier funktionsfähige Mini-Fonatoren fanden wir in unserem Archiv. Ihr neuwertiger Zustand lässt ahnen, dass ihnen in der Praxis kein großer Erfolg beschieden war.

Wir stießen auch auf drei Schreibtelefone. Darunter ein sehr handliches, mobiles Gerät für unterwegs. Es besteht aus einer Tastatur, einem kleinen Display und zwei Schaumgummischalen, in die man jeden üblichen Telefonhörer einlegen konnte. Hochgradig schwerhörige oder ertaubte Menschen konnten so von überall (schreib-)telefonieren.

Der Ausug in unsere kleine Techniksammlung zeigt: Fantasie und Er„ndungsgeist der Techniker haben uns Hörgeschädigten über die Jahrzehnte unzählige technische Hilfsmittel beschert. Viele davon haben lange Zeit große Dienste geleistet und wurden dann irgendwann von neuen Techniken abgelöst. Die induktive T-Spule – aufgekommen in den 1950er Jahren – ist sogar trotz ihres 70-jährigen Lebensalters auch heute noch das Mittel der Wahl für Höranlagen im öƒentlichen Raum. Andere Ideen waren gut erdacht, haben sich aber in der Praxis nicht bewährt. Heutzutage schaffƒen Digitalisierung, moderne Funktechniken und hochintegrierte Halbleiterchips ganz neue Möglichkeiten auch für die Kommunikation von Menschen mit Hörminderungen. Mit unserem „Spektrum Hören“ halten wir Sie darüber jederzeit auf dem Laufenden!

Mit herzlichen Grüßen

Dr. Norbert Böttges
Vizepräsident des DSB

Sozialpolitik/Recht/Bauen

  • Bundesteilhabegesetz: Neue Möglichkeiten und Ansprüche

Es gibt Gesetze, die funktionieren ähnlich einem Silvesterfeuerwerk: Sie entfalten ihre volle Wirkung in einer wohlgeplanten zeitlichen Folge. Zu diesen Gesetzen zählt das im Dezember 2016 verabschiedete Bundesteilhabegesetz. Sein erstes Vorglühen war schon ab Januar 2017 zu erspüren. Jetzt, zum 01.01.2018, ist das erste größere Maßnahmenpaket in Kraft getreten. Und die letzten Nachbrenner werden uns bis zum Jahr 2023 verfolgen. In solchen Gesetzen steckt eine Gefahr: Während manche Wirkungen von interessierter Seite akribisch nachgehalten, eingefordert und umgesetzt werden, geraten andere Regeln zwischen zeitlich in Vergessenheit. Selbst bei denen, für die sie gedacht sind. Grund genug also, einige Einzelheiten in Erinnerung zu rufen.

  • Kostenantrag automatisch genehmigt, wenn die Krankenkasse ihre Frist versäumt

Für Menschen mit Behinderungen – und dazu zählen alle Hörgeschädigten – galten sie schon lange: klare, kurze Fristen, innerhalb derer Krankenkassen und andere Sozialversicherungen über Anträge und ihre Zuständigkeit entscheiden müssen (drei Wochen, Sozialgesetzbuch SGB IX, § 14). Abererst seitdem diese Frist in das SGB V Einzug gehalten hat und damit für alle Versicherten gilt, nehmen die Krankenkassen sie wirklich ernst und halten sich peinlich genau daran. Warum das so ist, lässt sich aus gleich zwei Urteilen des Bundessozialgerichts erahnen (Az. B 1 KR 15/17 R und B 1 KR 24/17 R).

Neues aus den Verbänden

  • Abschied von Professor Dr. Peter Paul Robert Plath und Paul Josef Hemmert

Im November 2017 verstarben zwei verdiente Streiter für die Sache der Schwerhörigen und Ertaubten in Deutschland.

Teilhabe/Rehabilitation

  • Telefonieren nicht nur im Beruf wichtig

Häufig wird davon ausgegangen, dass andere Kostenträger als die gesetzlichen Krankenkassen dafür aufkommen müssen, um mehr als eine Basisversorgung mit Hörsystemen – die beispielsweise auch gutes Verstehen am Telefon einschließt – zu erhalten. Ein Irrtum, wie das Sozialgericht Aachen aufzeigt. Wird der falsche Kostenträger angegangen, kann der Kläger mitunter leer ausgehen.

  • „Made for all“ füllt eine Technologielücke

Hörsysteme „Made for iPhone“ sind zu einem stehenden Begriff geworden. Sie erfreuen sich besonders bei jungen und technikbegeisterten Trägern einer steigenden Beliebtheit. Wirklich nützliche und trendig-schicke Aspekte ergänzen sich dabei und führen dazu, dass Hörgeschädigte dafür auch einmal tiefer in die eigene Tasche greifen. Tatsache allerdings und Wermutstropfen war bisher, dass diese Systeme nur mit Smartphones der Firma Apple (eben „iPhones“) zusammenarbeiten; ansonsten ist weiteres Zubehör nötig. Dieses Manko will der Schweizer Hörsystemhersteller Phonak jetzt mit seinem neuen Hörgerät Audéo B-Direct aus der Welt schaffen.

  • „Anfangs hatte ich tausend Ausreden“

Wenn die Hörleistung abnimmt, dauert es meist noch lange, bis der Schritt zum HNOArzt tatsächlich erfolgt. Das weiß auch der Landesvorsitzende des Landesverbandes Bayern der Schwerhörigen und Ertaubten e. V., Werner Hagedorn. Werner Hagedorn, 68, wollte seine Hörbeeinträchtigung erst nicht wahrhaben. Inzwischen will er Hörsystem, Cochlea-Implantat und Zubehör nicht mehr missen.

Termine/Veranstaltungen

  • 4. Europäisches Parlament von Menschen mit Behinderungen

Am 6. Dezember 2017 tagte in Brüssel zum vierten Mal das „Europäische Parlament von Menschen mit Behinderungen“. Auf Einladung des Europäischen Parlamentes in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Behindertenforum („European Disability Forum“) trafen sich mehr als 600 Aktivisten und Delegierte von Behindertenorganisationen aus ganz Europa, um mit EU-Abgeordneten und Vertretern weiterer EU-Institutionen in Brüssel über aktuelle Fragen der Politik zu diskutieren.

  • Selbsthilfetage des Deutschen Schwerhörigenbundes in Essen

Die diesjährigen Selbsthilfetage des Deutschen Schwerhörigenbundes (DSB) stehen unter dem Motto „Hören, verstehen, dazugehören“. Das Treffen wird vom 19. bis zum 21. Oktober 2018 in Essen stattfinden. Mit einem umfangreichen Vortragsprogramm und einer großen Ausstellung von Herstellern, Reha- und Beratungseinrichtungen knüpft es an die Selbsthilfetage in Münster an. Inhaltlich soll es darüber hinaus um die Weiterentwicklung der Ergebnisse der IFHOH-Tagung „Future Loops“ im vergangenen Herbst in Berlin gehen. Ein zusätzlicher Glanzpunkt wird der Festabend am Samstag sein, zu dem der Essener DSB-Ortsverein anlässlich seines 100-jährigen Jubiläums einlädt.

  • 12. Seniorentag 2018 "Brücken bauen" in Dortmund

Aktiv, gesund und selbstbestimmt Älterwerden möchte jeder. Wie das gelingen kann, ist Thema des 12. Seniorentages in Dortmund. Alle drei Jahre wird er von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen in einer anderen Stadt organisiert.

  • DCIG-Fachtagung: CI-Versorgung – machen wir alles richtig?

Vom 25. bis 27. Mai 2018 findet in Hamburg die 6. Fachtagung der Deutschen Cochlea Implantat Gesellschaft (DCIG) statt. Unter dem Thema „Erfolg in der CI-Versorgung – machen wir alles richtig?“diskutieren Betroffene und Fachleute verschiedener Disziplinen grundlegende und zukunftsweisende Fragen.