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Deutscher Schwerhörigenbund e. V.

Spektrum Hören 4/2018

Vorwort des Vizepräsidenten des DSB e.V., Dr. Norbert Böttges

Liebe Leserinnen und Leser!


„Die Wissenschaft hat festgestellt, dass Marmelade Fett enthält." Dieses alte Pfadfinderlied kommt mir oft in den Sinn, wenn ich die Diskussion wissenschaftlicher Untersuchungen verfolge. Zwei Beobachtungen haben mich im Laufe der Jahre nachdenklich gemacht.

Da ístzum einen der Glaube, dass die Wissenschaft sich schon selbst kontrolliere. Kaum sei eine These aufgestellt- so die Theorie -, schon macht sich eine ganze Armee von Forschern aufden Weg, die gerade erst aufgestellte Aussage zu widerlegen. Wer aber macht das? Und wer bezahlt das? Viel einfacher und eleganter erscheint es, aufdem einmal als bewiesen angenommenen Ergebnis neue Studien aufzubauen. So entsteht ein Geflecht von voneinander abhängigen wissenschaftlichen Arbeiten, die sich irgendwann gegenseitig stützen und beweisen. Siehe hierzu die „Yanny-versus-Laurel”-Causa auf Seite 31.

Die andere Erfahrung ist die Beobachtung, dass wir dazu neigen, zwischen dem Zusammentreffen von zwei Ereignissen einen Wirkungszusammenhang herzustellen. Dabei gibt es oft bei Licht besehen nicht wirklich einen Anlass zu der Annahme, dass A die Ursache von B ist- und auch nicht umgekehrt. Wenn zum Beispiel festzustellen ist, dass die Degeneration der Netzhaut des Auges mit dem Alterzunimmt und auf der anderen Seite auch das Hörvermögen nachlässt, liegt in diesem Fall eine gemeinsame  Ursache vor (das Älterwerden). Es ist noch niemand auf die Idee gekommen, dass die Makuladegeneration die Schwerhörigkeit fördert.

Anders scheint es aber mit dem Zusammenhang zwischen Schwerhörigkeit und Demenz zu sein. Dass „Schwerhörigkeit Demenz fördert',' gehört inzwischen zum allgemeinen Weltwissen. Es ist sicher gut gemeint, die von Schwerhörigkeit Betroffenen mit der Schreckensvision Demenz dazu zu bringen, mehr für ihr gutes Hören zu tun. Ein Mitglied des Deutschen Schwerhörigenbundes hat mich aber daraufaufmerksam gemacht, dass sich hier eine neue Form der Stigmatisierung anbahnt:„Jetzt sind wir nicht nur ein bisschen langsam von Begriff sondern außerdem potenziell schon dement.”Dabei machen die zitierten Untersuchungen selbst darauf aufmerksam, dass Schwerhörigkeit definitiv keine Demenz„verursacht'. Demenz wird nur weitgehend an ihren Symptomen gemessen. Und Missverständnisse, lnformationsdefizite, unpassende Reaktionen, Verlust des kurzfristigen Gedächtnisses, nachlassende Konzentration, Unleidlichkeit, aggressives Verhalten und Rückzug von der Welt sind eben typische Folgen nicht nur einer Demenz, sondern auch einer hochgradigen Hörschädigung.

Gleiten Menschen im Alter in eine Demenz, so erleben sie diesen allmählichen Kontrollverlust vermutlich viel früher und bewusster, als wir Mitmenschen das wahrhaben möchten. Lässt gleichzeitig ihr Gehör nach, werden sie von zwei Lebenskatastrophen gleichzeitig eingeholt. Eine unversorgte Schwerhörigkeit aber vereitelt alle Versuche, den Folgen der Demenz durch angemessene Kommunikation undZuwendung entgegenzusteuern. Deshalb sollte man  der Versorgung einer Hörschädigung im Alter eine überragende Bedeutung zumessen.

Mit herzlichen Grüßen
Dr. Norbert Böttges, Vizepräsident DSB

 

Teilhabe/Rehabbilitation

  • Gemeinsam für lnduktionsanlagen im öffentlichen Raum

Eine Erkenntnis des Internationalen Kongresses „Future Loops“ im vergangenen Herbst in Berlin war; dass das Angebot und die Nutzung Induktiver Höranlagen in öfientlichen Vortrags- und Veranstaltungsräumen in Deutschland immer noch viel zu wünschen 'übrig lasst. Das zeigte vor allem der Vergleich mit anderen Ländern. AufInitiative der Bundesinnung der Hörakustiker KdöR (biha) haben sich biha und Deutscher Schwerhörigenbund (DSB) deshalb jetzt in einer gemeinsamen Erklarung zur Verbreitung von Induktionsanlagen und vergleichbaren Technologien im ofientlichen Raum bekannt.

  • Gottesdienst mit Schriftdolmetscher

Den alternativen Gottesdienst in Saarbrücken-Klarenthal gibt es seit dem Jahr 2000. Damals war Wilhelm Otto Deutsch Pfarrer der Gemeinde. Seine amerikanische Frau Becky wünschte sich einen Gottesdienst, der lebendig ist, schwungvolle Lieder hat, zum Mitmachen animiert, derfür alle Generationen geeignet ist und einen Ort der Begegnung bietet. So wurde der alternative Gottesdienst geboren. Anfangs waren es 40 Teilnehmer; im Laufe der Jahre ist die Zahl der Besucher auf180 bis 250 angestiegen. Trefiist einmal im Monat. Das inklusive Angebot hat sich herumgesprochen - mittlerweile reisen auch begeisterte Besucher extra aus Trier und Worms an.

  • Des Kaisers neue Kleider: Yanny? Laurel? Oder vielleicht Covfefe?

Trauen Sie sich zu, die beiden englischen Namen „Yanny“ und „Laurel“ auseinanderhalten zu können? Wennjemand Ihnen die beiden Namen vorspricht? Sicher kein Problem, werden Sie denken: „jc`i.nni“ und „loorel“, das hört sich doch ziemlich unterschiedlich an. Das wird sich wohl noch auseinanderhalten lassen. Dass das ofienbar nicht so einfach ist und die Welt sogar in zwei unversöhnliche Lager spalten kann, hat eine heftige Diskussion im Mai dieses Jahres im Internet gezeigt. Da es sich hier ofiensichtlich um ein hörrelevantes Thema handelt, sind wir der Sache aufden Grund gegangen...

Termine/Veranstaltungen

  • Selbsthilfe erfordert engere Zusammenarbeit

Vom 06. bis 08. April 2018fiihrte der Deutsche Schwerhörigenbund (DSB) seinen bereits vierten Strategieworkshop in Frankfurt am Main durch. Der Titel der Veranstaltung lautete „Selbstvertretung von lautsprachlich orientierten Hörbehindertenverbänden“. Er hatte das Ziel, die politische Zusammenarbeit der Verbände der Hörgeschädigten zu stärken und die vorhandenenfinanziellen und personellen Ressourcen zu optimieren. Teilgenommen haben Vertreter und Vertreterinnen des DSB, der Deutschen CI-Gesellschaft, der Hannoverschen CI-Gesellschaft, der Bundesarbeitsgemeinschaft hörbehinderter Studenten und Absolventen und von Pro Retina.

  • Das Usher-Syndrom: Eine Hör- UND Sehbehinderung

Das Usher-Syndrom bezeichnet eine Kombination aus hochgradiger Schwerhörigkeit oder Taubheit und einer allmählichen Verschlechterung des Sehvermögens, die bis zur Erblindungfuhren kann. Der schottische Augenarzt Charles Howard Usher erkannte 1914, dass es sich dabei nicht um eine erworbene, sondern um eine erbliche Erkrankung handelt. Die Häufigkeit des Usher-Syndroms in der deutschen Bevölkerung wird auf vier bis sechs Betrojfene pro 100 000 Einwohner geschätzt. Zum Vergleich: 100 von 100 000 Einwohnern sind gehörlos, etwa 300 an Taubheit grenzend schwerhörig.
Usher ist die häufigste Ursache der Taubblindheit.

  • Hörst du nur - oder verstehst du auch?

„Hören ist ein großes Wunder“ - das war das Motto des Cottbusser Hörtages am 21. März, zu dem der Schwerhörigenverein Cottbus e. V' und die HNO-Klinik im Carl-Thiem-Klinikum (CTK) eingeladen haben. Unter der Schirmherrschaft des Chefarztes der Klinik, PD Dr Michael Herzog, richtete sich die Veranstaltung an Betroffene, Angehörige und Interessierte, aber auch an Mitarbeiter in Senioren- und Pflegeeinrichtungen, medizinisches Personal in Krankenhäusern und Studenten künftiger medizinischer und sozialer Berufe.

  • DSB-Selbsthilfetag: Das Programm steht!

Jetzt ist es perfekt: Das Programmfür den Selbsthilfetag des Deutschen Schwerhörigenbundes (DSB) am 19. Oktober 2018 in Essen steht. Die Themen sind benannt, die Referenten gewonnen. Besucher und Gäste werden ihre Wünsche aus einem noch umfangreicheren Programm bedienen können als in den Vorjahren.