Skip to main content
Deutscher Schwerhörigenbund e. V.

BRD blockiert Barrierefreiheit in Europa

OFFENER BRIEF AN DIE INSTITUTIONEN DER EU: WIR BRAUCHEN EINEN STARKEN EUROPEAN ACCESSIBILITY ACT UND WIR BRAUCHEN IHN JETZT!

Am 3. Dezember 2018 findet der nächste Europäische Tag der Menschen mit Behinderungen statt. Wir – die Unterzeichnenden – fordern die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und den Rat der Europäischen Union im Namen von 80 Millionen Menschen mit Behinderungen und 190 Millionen Menschen im Alter ab 50 auf, bis zu diesem Tag eine wegweisende Einigung für den European Accessibility Act (EAA) zu erzielen.

Wir erwarten den EAA seit über 10 Jahren. Der Legislativvorschlag der Europäischen Kommission im Dezember 2015 war ein deutliches Signal, dass die EU bereit ist, die Lebensrealität von Millionen von Bürgerinnen und Bürgern in Europa zu verbessern. Diese Forderung reicht über zehn Jahre zurück und wir sind nicht länger bereit, auf ein europäisches Barrierefreiheitsgesetz zu warten.

Daher fordern wir alle EU-Institutionen auf, zum 3. Dezember, drei Jahre und ein Tag nach Veröffentlichung des Vorschlags, eine politische Einigung zum EAA zu finden.

Eine solche Einigung muss sicherstellen, dass Europa ein starkes, effektives und zukunftsfähiges Barrierefreiheitsgesetz bekommt. Wir fordern, dass der EAA konkrete Anforderungen in folgenden Geltungsbereichen formuliert:

  • Barrierefreiheit von Notrufdiensten: Das Fehlen barrierefreier Notrufdienste stellt eine lebensbedrohliche Situation für gehörlose, schwerhörige und hörsehbehinderte Menschen dar. Technische Lösungen hierfür liegen bereits vor. Der EAA muss sich daher auf Notrufdienste erstrecken und Barrierefreiheitsanforderungen an die Rufanlage stellen, die Alternativen zum Sprachanruf garantieren.
  • Barrierefreiheit bei Kleinstunternehmen: 93% aller Wirtschaftsakteure in Europa sind Kleinstunternehmen. Gerade in dieser Gruppe werden innovative Dienstleistungen entwickelt, die zunehmend mehr Verbraucherinnen und Verbraucher erreichen. Diese Produkte unter den Geltungsbereich des EAA zu fassen stellt einen wichtigen Schritt dar, um eine EU aller Bürger zu schaffen.
  • Barrierefreiheit im Vergabewesen: 16% der europäischen Wirtschaftsleistung entfallen auf das öffentliche Vergabewesen. Im öffentlichen Dienst sind bis zu 30% der Erwerbstätigen beschäftigt, was diesem Bereich ein gewaltiges Innovationspotential verschafft. Daher müssen sich öffentliche Vergabekriterien am EAA orientieren Die Vergabe von Mitteln aus EU-Förderprogrammen und dem TEN-T-Programm muss ebenfalls an Einhaltung der Anforderungen aus dem EAA geknüpft werden.
  • Barrierefreiheit in der baulichen Umwelt: Der EAA in seiner jetzigen Form umfasst viele digitale Produkte und wichtige Dienstleistungen, aber nicht die bauliche Umwelt, in welcher diese verortet sind. Dies bedeutet, dass viele Güter und Dienstleistungen nicht zugänglich sein werden, selbst wenn sie dem EAA nachkommen. Daher ist es unumgänglich, dass der EAA bindende Barrierefreiheitsanforderungen an die bauliche Umwelt formuliert.
  • Barrierefreiheit im Nahverkehr: Europaweit muss die Behindertenrechtskonvention der UN umgesetzt werden. Viele ihrer Vorschriften, beispielsweise über das Recht auf Zugang zu Arbeit, Bildung, Kultur oder Gesundheitsleistungen, setzen Beförderungsmittel voraus. Ohne barrierefreien Nahverkehr können diese bindenden Ziele und damit funktionierende Teilhabe nicht erreicht werden. Daher muss der städtische Nahverkehr in den Geltungsbereich des EAA fallen.

Mit diesem Brief wenden wir uns besonders an die Mitgliedsstaaten, darunter die Bundesrepublik Deutschland, welche diese Verbesserungen im Rat der Europäischen Union blockieren. Sie müssen einen durchsetzungsstarken EAA garantieren, der nicht nur das tagtägliche Leben von 80 Millionen Menschen mit Behinderung und 190 Millionen Senioren über 50, sondern das aller Bürgerinnen und Bürger in Europa verbessern wird.

Hochachtungsvoll,
Die Unterzeichnenden