Ausgabe 02/2023
Liebe Leserinenn und Leser,
haben Sie es bemerkt? Zur Jahreswende hat die Deutsche Post ihren Telegrammdienst eingestellt. Ein Telegramm war doch immer noch eine originelle Möglichkeit, Glück- und andere gute Wünsche stilgerecht in letzter Minute zu überbringen. Ende Gelände … Etwas anderes ist aber wohl gravierender: Zum 31.01.2023 wurden die letzten öffentlichen Telefonzellen außer Betrieb genommen. Wer jetzt kein Mobiltelefon hat, kann sich fortan von unterwegs aus nicht mehr ohne Weiteres bemerkbar machen. „Ohne Weiteres“ ist dabei nett gesagt: Eine öffentliche Telefonzelle zu finden, war immer schwerer geworden. Aber ich vermute, dass bis zuletzt immer noch Menschen diese verbliebenen Standorte genau kannten und auch nutzten. Sie haben jetzt ein echtes Problem.
Und damit bin ich beim Thema. Denken wir an die Zukunft, denken wir in aller Regel – an „die jungen Leute“. Die Tinnitus-Liga widmet dem Thema „Junge Selbsthilfe“ in ihrem aktuellen Tinnitus-Forum eine ganze Artikelserie. In der „Bundesjugend“ haben sich die jungen Menschen mit Hörbehinderung zusammengetan, und die Deutsche Cochlea Implantat Gesellschaft organisiert in ihrer Initiative „Deaf-Ohr-Alive“ eine sehr starke Jugendarbeit – „für Junge und Junggebliebene“. Jung und jung geblieben – das wollen wir doch alle sein, oder? Und so suchen wir auch die Zukunft unserer Gruppen, Vereine und Arbeit in „der Jugend“. – Aber: Ist das tatsächlich die ganze Wahrheit?
Das Leben beschert uns mit den Jahren einen erstaunlichen Blick auf die technischen und sozialen Entwicklungen, die wir miterlebt haben. Und auch auf die eigene persönliche Entwicklung. Als ich vor 14 Jahren in die aktive Arbeit der Selbsthilfe eintrat, kamen mir unsere Samstagstreffen „bei Kaffee und Kuchen“ ausgesprochen suspekt vor. Ich dachte, gesellig beisammen sein, das kann man doch woanders. Bei uns müsse es um Information, Aufklärung, Öffentlichkeitsarbeit und kommunale Gremien gehen. Und selbstverständlich – auch ich wollte unseren Verein „verjüngen“. Inzwischen bin ich seit zwei Jahren im Ruhestand und beginne zu erkennen, dass sich meine Interessen und Perspektiven verändern. Wie die der Menschen um mich herum. Und damit meine ich nicht die Gespräche über unsere Enkelkinder. Nein, ganz anders: Vor uns liegen noch 20 oder 30 Jahre Leben. Und ich ahne, dass diese Jahre ganz neue Interessen und Erfahrungen mit sich bringen werden. Mit Aufgaben und Herausforderungen, von denen ich weder in meiner aktiven Berufs- und Familienzeit, noch als Kind und Jugendlicher etwas ahnte.
Jedes Lebensalter will mit seiner besonderen Lebenswirklichkeit erkannt und angesprochen werden. Freizeiten für Kinder, Jugendcamps für Jugendliche und Information, Beratung und Aufklärung für aktive Berufs- und Familienmenschen– aber auch das „Leben 60plus“ hat seine eigenen, neuen Themen und Aufgaben, Ziele und Interessen, durchaus auch: seine Ängste und Herausforderungen.
Wichtig scheint mir deshalb eine „generationengerechte Selbsthilfe“. Selbsthilfe muss vielfältig sein. Wir müssen die Lebenssituation jeder Generation „gerecht“ ansprechen. Dann werden wir auch in jeder Generation „junge Leute“ finden – solche nämlich, die frisch Initiative ergreifen und aktiv Angebote für sich und andere auf die Beine stellen. Sowird sich die Selbsthilfe auch in Zukunft selbst tragen können.
Ihr
Norbert Böttges
Sozialpolitik/Recht/Bauen
- BAGSO fordert Maßnahmen gegen Altersdiskriminierung
Ein Gesetzesvorhaben der rot-grünen Koalition ist die Novellierung des Allgemeinen Gleich-behandlungs-Gesetzes (AGG). Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen (BAGSO) sieht eine Reihe von Fällen der Altersdiskriminierung und fordert, Lücken im bisherigen Gesetz zu schließen und den Regelungsbereich auf strukturelle Benachteiligungen zu erweitern.
- Neuer Versorgungsvertrag: Verlängerte Tragedauer von Hörsystemen offensichtlich unwirtschaftlich
Die Neuregelung der Festbeträge für Hörsysteme durch den Spitzenverband der Gesetzlichen
Krankenversicherungen im Dezember 2021 veranlasst Krankenkassen und Hörakustikanbieter, ihre Versorgungsverträge anzupassen. Den Anfang haben im Januar der Verband der Ersatzkassen (vdek) und die Bundesinnung der Hörakustiker KdöR (biha) gemacht. Sie nutzten die Gelegenheit, das seit etwa zwei Jahren schwelende Hickhack der Kassen gegen eine Wiederversorgung ab dem siebten Tragejahr vertraglich zu regeln. Dabei hat sich der vdek möglicherweise ein Eigentor geschossen …
Neues aus den Verbänden
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Erstmals seit 16 Jahren bietet der Deutsche Schwerhörigenbund (DSB) wieder einen Lehrgang zur Technischen Kommunikationsassistenz für hörgeschädigte Menschen an. Damit kommt der Selbsthilfeverband einem lange geäußerten Wunsch nach Wiederaufnahme dieser Ausbildung nach.
Teilhabe/Rehabilitation
- Neue Höranlage im Schauspiel Köln
Seit Ende 2022 hat das Schauspiel Köln eine neue MobileConnect-Höranlage für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen. Sechs Mitglieder des DSB-Ortsvereins Köln konnten sich im Dezember von der hervorragenden Qualität der Tonübertagung
überzeugen. Mit Stephanie Michels und Manuel Poell sprach Norbert Böttges über das Theater, den Weg des Schauspiels zur Barrieresensibilität und die neue Technik.
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