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Deutscher Schwerhörigenbund e. V.

Online-Petition Schwerbehindertenrecht

Kampagne gegen geplante Verschlechterungen im Schwerbehindertenrecht gestartet.

Zur Petition gelangen Sie hier 

(von Ottmar Miles-Paul am 14.01.2019)

 

Oberteuringen: Im Rahmen der Änderungen des Bundesteilhabegesetzes soll auch die 5. Versorgungsmedizinische Verordnung verändert werden. Die Verordnung ist die Grundlage für die Bildung des Grades der Behinderung und damit für den Nachteilausgleich für Menschen mit Behinderungen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat nun einen Referentenentwurf vorgelegt, der nach Auffassung des Inklusionsbotschafters Thomas Schalski von der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung Bodensee/Oberschwaben (EUTB) zu massiven Verschlechterungen für Menschen mit Behinderungen führen wird. Dieses betriff seiner Ansicht nach nicht nur den Nachteilsausgleich, sondern auch den erweiterten Kündigungsschutz für gleichgestellte Menschen mit Behinderung und die Möglichkeiten früher in Rente zu gehen. Deshalb hat die EUTB Bodensee/Oberschwaben eine Kampagne gegen die geplanten Änderungen gestartet.

"Sich hierbei auf die UN Behindertenrechtskonvention zu berufen ist aus unserer Sicht ein politischer Skandal. Mit dieser Verordnung wird sicherlich nicht erreicht, dass die Rechte der UN Behindertenrechtskonvention besser umgesetzt werden", erklärte Thomas Schalski. Die EUTB Bodensee/Oberschwaben hat den Referentenentwurf zum Anlass genommen, Minister Hubertus Heil sowie die örtlichen Bundestagsabgeordneten für den Bodenseekreis Lothar Riebsam (CDU), Pascal Kober (FDP), Martin Gerster (SPD) und Agniezka Brugger (Bündnis 90/Die Grünen) anzuschreiben und aus der Sichtweise von Menschen mit Behinderungen den Referentenentwurf  kritisiert.

"Wir haben in diesem Brief den Politiker folgende Forderungen zur Änderung des Schwerbehindertenrechts zukommen lassen", berichtet Thomas Schalski:

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat einen Referentenentwurf für die Änderung der Versorgungsmedizinischen Verordnung in die Gesetzesberatung gegeben, mit der aus Sicht der EUTB Bodensee/Oberschwaben die Gefahr einer erheblichen Verschlechterung beim Nachteilausgleich für schwerbehinderte Menschen kommen kann. Wir kritisieren am Referentenentwurf folgende Punkte und fordern von der Politik diese Punkte aus dem Referentenentwurf zu streichen:

1. Mit großer Sorge erfüllt uns der Ansatz, künftig den GdB (Grad der Behinderung) generell unter Berücksichtigung von Hilfsmitteln und Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens zu bemessen und dabei im Grundsatz von einer optimalen Hilfsmittelversorgung als Maßstab für die Bemessung von Teilhabebeeinträchtigungen auszugehen. Im Übrigen verbietet sich nach unserer Auffassung ein abstraktes Abstellen auf die Versorgung mit Hilfsmitteln und auf medizinische Behandlungsmöglichkeiten schon deshalb, weil die entsprechende Versorgungssituation gerade bei Menschen mit Behinderungen und chronischer Erkrankung in der Praxis in der Regel nicht einer optimalen Versorgung entspricht, sondern meist sogar deutlich schlechter zu beurteilen ist. Wir haben daher erheblich sozial- und rechtspolitische Bedenken, die Teilhabeberechtigung von dem Einsatz von Hilfsmitteln abhängig zu machen. Wir fordern daher, dass dieser Punkt aus dem Gesetzesentwurf gestrichen wird.

2. Für einige Erkrankungen soll der GdB von 30 auf 20 abgesenkt werden, damit entfiele die Möglichkeit der Gleichstellung und damit der erweiterte Kündigungsschutz für diese Menschen mit Behinderung, so z.B. bei Sehbehinderungen. Wir fordern keine Verschlechterung der Einzel GdB in Bezug zur derzeitigen Verordnung.

3. Die Behindertenverbände werden nicht direkt in die Gesetzesentwicklung bei der Versorgungsmedizinischen Verordnung eingebunden. Dieses muss in Zukunft anders werden. Wir fordern gemäß UN Behindertenrechtskonvention die Behindertenverbände bei allen Teilhabeplanungen des Gesetzgebers von Anfang an zu beteiligen.

4. Wir lehnen eine Beweislastumkehr zu Lasten der Menschen mit Behinderung ab, Denn nach der jetzigen Planung obläge es zukünftig den Menschen mit Behinderungen zu beweisen, dass im Einzelfall nicht von einer optimalen Hilfsmittelversorgung ausgegangen werden kann. Menschen mit Behinderung müssen nachweisen, dass Ihr Arzt sie nicht richtig behandelt und mit nötigen Hilfsmitteln versorgt.

5. Unklar bleibt, in welchem Verhältnis die gute Versorgungsqualität zum Wirtschaftlichkeitsgebot des SGB V steht. Was ist höher zu bewerten, die Versorgung der Menschen mit Hilfsmittel oder das Wirtschaftlichkeitsgebot der Krankenkassen. Von der Politik fordern wir eine Klarstellung.

6. Wir wollen keine Abschaffung der Heilungsbewährung. Wir lehnen das Konstrukt der "pauschalen Erhöhung des GdB" ab, da diese zu einer erheblichen Verschlechterung gegenüber dem jetzigen Recht führen kann. Das Konstrukt der Heilbewährung hat sich in der Praxis bewährt.

7.  Es ist vorgesehen, dass bei bestimmten Verwaltungsakten die GdB Festellung befristet werden soll. Dieses soll Kosten sparen und Verwaltungsaufwand verringern. Aber nicht auf Kosten von Menschen mit Behinderung. Wir lehnen das als erhebliche Verschlechterung gegenüber der jetzigen Rechtslage ab und fordern den Gesetzgeber auf, auf eine Änderung zu verzichten.

8. Die Begrenzung von Feststellungszeiträumen für einen GdB anhand von Altersstufen lehnen wir als Altersdiskriminierung ab.

9. Das zugrundlegende "bestmögliche Behandlungsergebnis" ist abzulehnen. Mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot des SGB V und SGB XI kann es in der Praxis sowas nicht geben.

10. Wir lehnen es strikt ab, dass bei der Gesamt GdB Bewertung grundsätzlich ein Einzel GdB (Grad der Behinderung) von 20 nicht mehr mitzählen soll. Das würde in der Praxis z´dazuführen, dass ein Vielzahl von Menschen mit Behinderung nicht mehr als Schwerbehinderter anerkannt werden und damit keinen Nachteilsausgleich mehr bekommen können.

11. Der Bestandschutz muss für alle gelten, die bis zum Inkrafttreten der neuen Verordnung eine Feststellung des GdB haben. Hier muss es eine ähnliche Regelung geben, wie bei der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes.