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Deutscher Schwerhörigenbund e. V.

Spektrum Hören 5/2018

Vorwort des Vizepräsidenten des DSB e.V., Dr. Norbert Böttges

Liebe Leserinnen und Leser!

Welche fatalen Folgen eine schlechte Einstellung von Hörsystemen hat, durfte ich einmal am eigenen Leib erfahren: Mehrere Jahre war ich mit ein und derselben Einstellung meiner Cochlea-Implantate (Cl) rundum zufrieden. Weniger aus Überzeugung als aus Pflichtbewusstsein meldete ich mich schließlich wieder einmal zur „Jahreskontrolle". Dass ich an eine neue Audiologin geriet, überraschte mich nicht. lmpedanzmessung, Überprüfung und Neueinstellung der Hörschwellen dauerten etwa 45 Minuten. Da ich vom Ergebnis nicht direkt einen guten Eindruck hatte, wurde hier und dort noch etwas nachjustiert und ich mit dieser Einstellung entlassen. Aus jahrelanger Übung ging ich davon aus, dass sich der Rest durch Gewöhnung schon wieder ergeben werde. Drei Wochen später hatte sich leider nichts ergeben. Ein zweiter Termin musste her. Meine neue Audiologin - und das fand ich vollkommen okay - bekam ihre zweite Chance. Nach vielen Erklärungen und Aufs und Abs der unteren und oberen Tonschwellen verließ ich eine Stunde später die Hörkabine. Offen gesagt etwas ratlos. Denn wieder war mein Höreindruck durchwachsen. Aber wieder baute ich auf die Gewöhnung. Auch diesmal ohne Erfolg. lm Grunde war meine Einstellung „zum Verzweifeln". Beim dritten Anlauf bestand ich deshalb darauf diesmal in die Obhut des Toningenieurs zu kommen, der mir vor Jahren zu meiner Erstanpassung verholfen hatte. Was mir auch gewährt wurde. Mein Toningenieur ging dann „zurück auf Anfang". In einer knappen Stunde baute er von Grund auf eine neue, fehlerfreie Einstellung auf Ein   verbliebenes „Dröhnen" bei den Sprachvokalen korrigierte er mit zwei Handgriffen. Und fertig. Seitdem bin ich wieder glücklich.

Was aber wäre passiert, wenn ich aus meiner früheren Einstellung nicht gewusst hätte, wie gut ein Cl funktionieren kann? Vermutlich hätte ich irgendwann aufgegeben in der Meinung, dass es eben nicht besser geht. Ich hätte mich mit Dröhnen hier, Verzerrung dort und übersteigerter Lautstärke in anderen Situationen abgefunden.

Diese Erfahrung hat mein Vertrauen in die Gleichmäßigkeit der„Kunst der Hörsystemeinstellung” einigermaßen erschüttert. Obwohl die Einstellung eines CI ein recht überschaubarer Prozess zu sein scheint, kann man dabei einiges falsch machen. Es mag unangenehm sein, in einer solchen Situation auf einem Wechsel des Audiologen oder Hörakustikers zu bestehen. Aber es hilft nichts: Hier muss man die Notbremse ziehen. Eine hartnäckig falsche Einstellung kann einen tatsächlich zur Verzweiflung treiben.

Die Verantwortlichen in den Kliniken und genauso bei den Hörakustikern tragen hier eine große Verantwortung. Wohlverstandenes Qualitätsmanagement bedeutet auch, seine „Pappenheimer”zu kennen und so zu steuern, dass niemand den Hof verlässt mit einer Geräteeinstellung, mit der er am liebsten aus dem nächsten Fenster springen möchte. Und als mündige Kunden und Patienten müssen wir lernen, wann und wie wir die Notbremse ziehen müssen.

Mit herzlichen Grüßen
Norbert Böttges, Vizepräsident des DSB

Sozialpolitik/Recht/Bauen

  • Ein neues Beratungsangebot auch für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen

Seit dem 01.04.2018 sind sie in ganz Deutschland am Start: die Beratungsstellen der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB). Das neue Angebot wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert und ist für alle Ratsuchenden kostenfrei. Unabhängig ist die Teilhabeberatung von den Leistungserbringern wie zum Beispiel Klinken, Ärzten und Hilfsmittelanbietern und von den Beratungsstellen der Versicherungen und Kostenträger. Da man diesen neben ihrem Beratungsauftrag wirtschaftliche und institutionelle Interessen unterstellt, hat sich der Bundestag 2016 dazu entschlossen, die neue, unabhängige Teilhabeberatung ins Leben zu rufen, die ausschließlich den Ratsuchenden verpflichtet ist. Auch der Deutsche Schwerhörigenbund (DSB) beteiligt sich an diesem Angebot.

  • Pflegeheime (noch) kein Ort der Selbstbestimmung bei Schwerhörigkeit

Immer mehr Menschen möchten heutzutage bei Pflegebedürftigkeit ihren Lebensabend möglichst lange in ihrer häuslichen Umgebung verbringen. Und auch für den Gesetzgeber gilt der Grundsatz „ambulant vor stationär“ bei der Bewilligung von Sozialleistungen für hilfebedürftige Senioren. Die neuen EUTB-Stellen für Hörgeschädigte in Nordrhein-Westfalen bieten eine Einzelfallberatung für Betrofiene.

  • Die Wiederherstellung des Hörvermögens ist ein Grundbedürfnis

Bei der Abwehr von Kostenanspruchen über den Festbetrag hinaus zeigen sich Sachbearbeiter bei den Krankenkassen mitunter hartgesotten. Sie bedienen sich dabei gerne der Begriffe von Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit und weisen daraufhin, dass die Leistungen zwar ausreichend sein mussen, aber das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Das sind alles ohne Zweifel wohlfeile Begriffe aus dem Sozialgesetzbuch. Sie eignen sich aber vor allem dazu, den tatsächlichen Anspruch der Versicherten zu verschleiern. Das zeigt ein jüngeres Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg mit klaren, verständlichen Worten (LSG Berlin-Brandenburg L 9 KR 60/17B ER).

Neues aus den Verbänden

  • DSB-Ratgeber neu erschienen

Die Ratgeber des Deutschen Schwerhörigenbundes (DSB) liegen jetzt in einer vollständig neu bearbeiteten Auflage vor. Neben vielen inhaltlichen Erweiterungen und Aktualisierungen erscheinen sie auch in einem optisch neuen, lesefreundlichen Gewand. Neugestaltung und Neuauflage wurden möglich durch diefinanzielle Förderung der Kaufmännischen Krankenkasse Halle (KHH) im Rahmen der Projektförderung der gesetzlichen Krankenkassen.

  • DSB Essen: Wir feiern unseren 100. Geburtstag!

Bald ist es soweit: Die Selbsthilfetage des Deutschen Schwerhörigenbundes (DSB) finden in diesem Jahr vom 19. bis 21. Oktober in Essen statt. Dort können Sie sich am Freitag in 28 Vorträgen und einer umfangreichen Ausstellung über den Stand der Technik, Rehabilitation, Teilhabe und Sozialpolitik für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen informierenl. Am Samstag können Sie als Delegierte/r auf der Bundesversammlung des DSB über die Geschicke des Selbsthilfeverbandes der Schwerhörigen mit entscheiden und am Sonntag mit dem Kulturprogramm die Schätze der Ruhrmetropole Essen erkunden? Was Sie sich aber in keinem Fall entgehen lassen sollten: unseren Festabend am Samstagabend. Denn da feiern wir unser 100-jähriges Jubiläum!

  • Richtmikrofone: Weniger ist oft mehr...

Richtmikrofone gehören heute zur allgemeinen Ausstattung aller Hörsysteme. Ihre Wirkungsweise leuchtet unmittelbar ein: Durch Ausrichtung aufdie gewünschte Schallquelle wird deren Signal hervorgehoben. Geräusche aus anderen Richtungen werden demgegenüber abgeschwächt. Auf diese Weise wird das Verhältnis vom Nutzsignal zum Umgebungsgeräusch (Signal-Rausch-Verhältnis) vergrößert und das Sprachverstehen deutlich verbessert. Natürlich sind nicht alle akustischen Situationen des Alltages so einfach gestrickt. Zur weiteren Verbesserung verfolgen die Hersteller von Hörsystemen deshalb verschiedene, oft aufwendige technische Strategien. Derfolgende Beitrag möchte einige Zusammenhänge erklären - und auch aufzeigen, warum einfache Lösungen manchmal besser sind.

Teilhabe/Rehabilitation

  • Aus dem Leben einer Spätertaubten

Alice Petri, seit mehr als 40 Jahren Mitglied im Deutschen Schwerhörigenbund (DSB), ist heute 83 Jahre alt. Die Autofahrten von ihrem Wohnort in Neunkirchen zu den Treffen oder Wanderungen ihres Ortsvereines traut sie sich mittlerweile nicht mehr zu. Was liegt also näher als sie zuhause im Siegerland aufzusuchen und bei Tee und von ihr selbst gemachtem Kartoffelbrot ein wenig zu „klönen“. Alice Petris Lebensgeschichte ist ein beeindruckendes Zeugnis einer starken Frau, die ihr Leben selbst in die Hand genommen hat und trotz hochgradiger Hörschädigung von jungen Jahren an ihr Leben gemeistert hat.

Termine/Veranstaltungen

  • Fristen für Rauchwarnmelderpflicht beachten

Zum Schutz von Leben und Gesundheit müssen bis zum 31.12.2018 alle Wohnungen in Deutschland mit Rauchwarnmeldern im Flur, Kinder- und Schlafzimmern ausgestattet werden. Das gilt in allen Bundesländern für Neu und Umbauten; in den meisten Bundesländern inzwischen auch für Bestandsbauten (Thüringen bis Ende 2018, Berlin und Brandenburg bis Ende 2020). Einzig in Sachsen gibt es noch keine Regelung für Bestandsbauten.