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Deutscher Schwerhörigenbund e. V.

Ausgabe 06/2019

Liebe Leserinnen und Leser!

In unseren Beratungsgesprächen begegnen mir erstaunliche Menschen. Menschen, deren Partner unter Hörverlust leidet, kommen mit zur Beratung, weil sie es sich angewöhnt haben, das Schicksal ihres Partners mitzutragen. Sie lassen sich erklären, was sie tun können, damit ihr Partner im Zweiergespräch besser und entspannter versteht und wie es möglich ist, ihren hörgeschädigten Partner auf Familienfesten oder bei anderen Gelegenheiten nicht vollkommen auszuschließen. Solche Menschen kennen zu lernen, ist auch für uns Berater eine echte Bereicherung. (Weitere Informationen dazu finden Sie im DSB-Ratgeber 2 „Tipps für schwerhörige und gut hörende Menschen im Umgang miteinander“).

Aber es gibt auch die anderen. Partner oder Familienangehörige, die nur als Chauffeur mitkommen. Die schon beim Eintreten ein mürrisches Gesicht machen. Die kein bisschen Verständnis dafür haben, dass sie jemanden zu einer Beratung begleiten müssen, weil er oder sie trotz Hörversorgung akustisch oft im Abseits steht. „Stell dich nichtso an! Gib dir mal Mühe! Du hast doch Hörgeräte!“ Ja, da lässt das „Kind im Ohr“grüßen...

Neulich berichtete mir eine Ratsuchende von ihrer Not beim „Damenkaffee“. Als fortgeschrittene Seniorin („meine Bekannten sind mir ja alle schon weggestorben”) ist sie auf diese Form des Zusammenseins besonders angewiesen, will sie nicht in Rückzug und Einsamkeit untergehen. Diese Damen („die tragen doch auch fast alle Hörgeräte“) schütteln nur abweisend den Kopf wenn meine Ratsuchende Probleme hat, den Gesprächen am Tisch zu folgen. Stattdessen kokettieren sie mit der Höhe der Zuzahlungen, die sie für ihre Hörgeräte geleistet haben. Ja: Meine Ratsuchende trägt „aufzahlungsfrei“ Da heißt es für sie schweigen. Rücksichtnahme? Fehlanzeige.

Natürlich muss man für ein solches Verhalten unter Senioren nicht unbedingt Verständnis haben. Es fehlt mir aber auch das Verständnis, wenn „Kassenpatienten“ bei den Fortschritten moderner Hörsysteme mittlerweile wieder als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Die gesetzlichen Krankenkassen haben es seit 2013 versäumt, den Standard ihrer Anforderungen an Hörsysteme dem technischen Fortschritt anzupassen. In ihrem äußerst informativen Buch „Hingehört - Für mehr Transparenz beim Hörgerätekauf” (siehe Rezension auf Seite XX) hat die Hörakustikern Juliane Stärke die Funktionen von Hörsystemen der Technologiestufen von „Basis“ bis „Premium“ detailliert und vergleichbar aufgeschlüsselt. Da ist für Geräte mit Kassenstandard und wohlklingenden Namen wie Baseo, lntuis, Prompt, Get, Como etc. ganz unten am Rand Platz. Und es wird sichtbar, wie viele für das Alltagsverstehen wichtige Eigenschaften aktuell zur Hörsystemmittelklasse („Standard“) gehören, die aber nur gegen Aufpreis erhältlich sind.

Menschen, die sich keine Aufzahlung leisten können, sollten an den Fortschritten der Hörtechnik angemessen teilhaben. Deshalb fordert der Deutsche Schwerhörigenbund von den Krankenkassen die Anpassung ihrerAnforderungen an den technischen Fortschritt. Das wird niemand daran hindern, sich mit einer Aufzahlung „ein bisschen mehrzu gönnen“ Der Erfolg läge vielmehr darin, dass diejenigen, die keine Mehrkosten aufbringen können, mit deutlich besseren Geräten nach Hause gehen. Und damit mit deutlich besseren Hörergebnissen in Gruppen, Störgeräusch, Wind, schwieriger Raumakustik und dynamischen Hörsituationen.

Mit herzlichen Grüßen
Dr. Norbert Böttges

Neues aus den Verbänden

  • Richtigstellung: Verbands- und Mitgliederstruktur der DCIG

In der vorigen Ausgabe von „Spektrum Hören“ wurde über den Stand der Verhandlungen berichtet, die zu einem Zusammenschluss von Deutschem Schwerhörigenbund (DSB) und Deutscher Cochlear Implant Gesellschaft (DCIG) führen sollen. Dass es nicht so einfach ist, die Strukturen eines Verbandes zu verstehen, zeigt sich darin, dass beider Darstellung der Mitglieder- und Verbandsstruktur der DCIG eine Reihe von Ungenauigkeiten und Fehlern unterlaufen sind. Dr. Roland Zeh, der Präsident der DCIG, hat uns dazu eine Klärung und Richtigstellung geschrieben.

  • DSB-Selbsthilfetag und Bundesversammlung in Hamburg-Neues Präsidium gewählt

Am 27. und 28. September fanden der jährliche Selbsthilfetag und die Bundesversammlung des Deutschen Schwerhörigenbundes (DSB) statt. Eingeladen hatte diesmal der Bund der Schwerhörigen (BdS) Hamburg. Tagungsort war der Bachsaal im Gemeindezentrum des Hamburger Michel.

  • EUTB-Beratung geht in die zweıte Runde

Die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) startete Anfang 2018 mit ihren ersten Beratungsstellen. Ihr Ziel ist eine unabhängige, leicht zugängliche und kostenlose Beratung für Menschen mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen. Sie soll die Arbeit von Ärzten und Kliniken, Anbietern von Hilfsmitteln und Leistungen, aber auch die Arbeit der Kranken- und Rentenversicherung, der Arbeitsagentur und anderer Einrichtungen ergänzen und durchaus auch aus Betroffenensicht hinterfragen. Jetzt hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die zweite Runde der Förderung eingeläutet.

 

 Teilhabe/ Rehabilitation

  • Tuberkulose überlebt!- Dafür taub?

Es gibt eine ganze Reihe von Medikamenten, die als Nebenwirkung das Gehör schädigen können bis hin zum vollständigen Hörverlust. Dazu gehören auch einige Antibiotika, Arzneimittel, die in vielen Situationen unverzichtbar sind. Wenn sie in hoher Dosierung angewendet werden müssen, ist der Verlust des Gehöres oft bewusst in Kauf zu nehmen. Dr. Chris Schmotzer behandelt mit Unterstutzung der pakistanischen Regierung und der Deutschen Lepra- und Tuberkulosehilfe (DAHW) Menschen, die an Tuberkulose (TB) erkrankt sind. Lesen Sie im Folgenden seinen Bericht von seiner Arbeit im Rawalpindi Leprosy Hospital in Punjab in Pakistan.

  • Inklusion: Hörbeeinträchtigung im Beruf gemeinsam erfolgreich meistern

Wenn von „Inklusion“ die Rede ist, denken die meisten an Kinder und Jugendliche mit Beeinträchtigungen, die in Regelschulen gehen. Dass es auch Lehrkräfte gibt, die sich mit Beeinträchtigungen im Schulalltag behaupten mussen, davon ist keine Rede. - Fast keine. Denn seit einigen Jahren trifft sich eine Gruppe hörgeschädigter Lehrerinnen und Lehrer aus verschiedenen Gegenden Deutschlands, um sich uber ihre Erfahrungen und Lösungsstrategien im Berufsalltag auszutauschen. Was sie dabei herausfinden, ist vielfältig und auchfür hörbeeinträchtigte Menschen in anderen Berufen hilfreich.

  • Polnische Literaturbetrachtungen

Das „Kommunikationsseminar mit Literatur“ in Paderborn hat eine lange Tradition. Jedes Jahr fährt es eine Gruppe von hörbeeinträchtigter Literaturbegeisterten in eine neue Welt und einen intensiven Austausch. Lesen Sie hier den Bericht von Martin Furtkamp über das diesjährige Seminar vom 19. bis 21. Juli 2019 mit Literatur aus Polen und die Ankündigungfür das kommende Jahr.

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