Ausgabe 01/2022
Liebe Leserinnen und Leser!
Jetzt hat also auch mich die Gender-Debatte erreicht. Sprache ist mir wichtig. Oft komme ich mir vor wie ein Handwerker, der bis zuletzt an Begriffen, Wortstellungen, Satzzeichen und Formulierungen feilt. Es kommt mir sehr daraufan, was Sprache aussagt und wie sie es aussagt. Dabei geht mir das „generische Maskulinum” (wonach die männliche Form für alle Geschlechter steht) schon lange nicht mehr glatt von der Hand. Es widerstrebt mir einfach, monoton von „den Hörakustikern” zu sprechen, wenn ich weiß, dass ihre Mehrzahl Hörakustikerinnen sind. So kam zuletzt mein Beitrag zu den DSB-Selbsthilfetagen zum Korrekturlesen zurück, und aus meiner bündigen Aufzählung von „Audiotherapeut*innen, Schriftdolmetscher*innen und Peer-Berater*innen” war redaktionell eine umständliche Reihung der jeweils weiblichen plus männlichen Form geworden. Stilistisch gefiel mir das gar nicht. Aber, musste ich erfahren, der Verlag folgt hier dem Rat der Deutschen Rechtschreibung, der das Gendern „zu diesem Zeitpunkt nicht empfiehlt. Nun gut.
Meine erste und eindrucksvolle Begegnung mit diesem Thema liegt jetzt rund 30 Jahre zurück. Damals wurde in unserer Gemeinde öfter das Lied gesungen „lch steh vor dir mit leeren Händen, Herr". Ein ergreifendes Lied aus dem Jahr 1966, in dessen dritter Strophe die Zeile vorkam:„... und lass mich unter deinen Brüdern leben." Es reifte die Zeit, und irgendwann beschlich mich an dieser Stelle regelmäßig ein gewisses Unbehagen. Wie wird sich wohl eine Frau bei dieser Zeile fühlen? Eines Tages sah ich diese Zeile wieder unausweichlich auf mich zukommen. Da machte sich ein Prozess in mir selbstständig, und im entscheidenden Moment hörte ich mich mit fester Stimme singen: und lass mich unter deinen Schwestern leben." Diese Entgleisung bescherte mir damals nicht nur eine klare Antwort auf meine Frage, sondern in der Kirchenbank auch überraschte, teilweise amüsierte Blicke. Kurz darauf- 1995 - hat die katholische Kirche ihr Gotteslob grundlegend überarbeitet. Aus den Brüdern wurden „Kinderf", aus dem brüderlichen Mahl das „österliche Mahl". (Meine Version des „geschwisterlichen Mahls” halte ich übrigens bis heute für die bessere Lösung.)
Bei näherem Hinsehen wehrt sich die deutsche Sprache gegen geschlechtergerechte Formulierungen mit Zähnen und Klauen. Wie einfach ist das doch im Englischen: teacher, physician, student- da ist nichts auf Mann oder Frau festgelegt. Wir armen Deutschen dagegen - bemühen uns nach Kräften und verbiegen dabei doch oft uns und den Sinn. Ich gebe zu: Manchmal tut es mir weh. Die fortlaufend „Studierenden“ bekommen neuerdings Gesellschaft in Form von Forschenden, Mitarbeitenden oder Teilnehmenden. Vielleicht gewöhne ich mich dran. lm Bereich der unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) hat sich das Gendersternchen eingebürgert. Durch häufigen Gebrauch geht mir das inzwischen flüssig von der Hand - siehe oben. Jetzt aber kommen andere und setzen statt Sternchen einen Doppelpunkt. Da kann ich einen Verlag schon verstehen, wenn er sich da nicht festlegen will. Das kann ja nur schiefgehen.
Aber: Nach eigener Aussage „beobachtet der Rat der Deutschen Rechtschreibung den Schreibgebrauch der deutschen Rechtschreibung, die wie alle Bereiche der Sprache einer steten Entwicklung unterworfen ist". Gut so: An dieser Entwicklung arbeite ich gerne mit.
Bei welchen Entwicklungen wir im kommenden Jahr sonst noch mitarbeiten können - davon lassen wir uns ab sofort überraschen. Für 2022 wünsche ich Ihnen, uns allen Kraft, Glück und Erfolg und
immer einen positiven Blick auf die Welt und die Zukunft.
Norbert Böttges
Sozialpolitik/Recht/Bauen
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Im vorigen Jahr, am Welttag des Hörens, veröffentlichte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ihren umfassenden „Weltreport des Hörens“. Fast unbemerkt gab sie in diesem Fünf-Jahres-Werk auch neue Kriterien für die Einordnung der Grade des Hörverlusts bekannt. Was hat sich geändert? Und wofür sind diese Kriterien gut?
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Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit- diese Leitlilien stehen über dem Koalitionsvertrag der neuen Regierungsparteien. Digitalisierung, Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit und Schuldenbremse- so in etwa lauten die Schlagworte, die daraus jetzt rund um die Uhr in Medien und Talshows abgefragt werden. Welche Bedeutung hat aber der Koalitionsvertrag für Menschen mit Behinderung?
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Termine/Veranstaltungen
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