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Deutscher Schwerhörigenbund e. V.

Ausgabe 04/2023

Liebe Leserinnen und Leser,

im Urlaub auf Borkum sind sie mir noch auf Schritt und Tritt begegnet: die guten alten Telefonhäuschen. Genauer gesagt: die nach vorne offenen „Telefonhauben". Von ihnen ließen sich dereinst die Lieben zu Hause über Unterkunft und Wetter, Essen und Wohlbefinden in Kenntnis setzen. Ich kann mir gut vorstellen, wie hier die weniger handyaffinen Urlauber und Kurgäste bis zuletzt abends anstanden und die letzten Nachrichten in die Heimat meldeten. Bis zuletzt. Denn bei näherem Hinsehen bestätigte sich: alle außer Betrieb. Spätestens seit Februar dieses Jahres.

Ein zweites Aha-Erlebnis bescherte mir auf der Rückfahrt ein Tankstellenaufenthalt in den Niederlanden. Einfüllstutzen in den Tank gehängt, Hebel gedrückt und dann... nichts. Alles Ruckeln und Rütteln half nichts: die Pumpe der Zapfsäule sprang nicht an. Hilflos umherblickend, wies mich der freundliche Mitarbeiter daraufhin, ich müsse zuerst „die Karte” in den Zahlautomaten stecken. Glücklicherweise war egal, welche „Karte“ ich steckte. Ich brauchte keine holländischen Gulden, sparte mir den späteren Rücktausch von Wechsel- und Restgeld: eins, zwei, drei war ich mit allem fertig. Andere Länder, andere Sitten - aber ohne Karte kein Benzin in den Niederlanden.

Weil ich solchen Entwicklungen in gemessenem Abstand folge, konnten mich diese Überraschungen nicht aus der Bahn werfen. Ich nehme aber immer mehr Menschen wahr, die den Veränderungen aktiv ausweichen, sie bewusst ablehnen. Dafür mag es Gründe geben, offen ausgesprochene, auch versteckte. Um diesen Menschen gerecht zu werden, fordert die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) deshalb ganz zu Recht, dass man im Zuge der Digitalisierung immer auch „analoge Zugänge” offenhalten müsse. Auch das ist Inklusion. Ist Ausweichen aber auf Dauer eine gute Strategie?

Vom gedruckten Brockhaus, vom Kursbuch der Bahn, vom Telefonbuch haben wir uns längst verabschiedet. Seit Kurzem gibt es am Hauptbahnhof in Bonn keine Wagenstandsanzeiger mehr - nur noch in der Bahn-App. Manch eine*r findet über die ungeahnten Möglichkeiten der Heimat- oder Familienforschung ins Internet. Für Großeltern sind es die Fotos und Videos der Enkelkinder, die den Bann brechen. Bei Hörgeräteträgern ist es neuerdings der Moment, wo sich ihre Hörgeräte mit dem Handy koppeln und sie aufeinmal wieder unbeschwert telefonieren können. Dann macht es aufeinmal auch Sinn, zwischen verschiedenen Hörsituationen (bzw. entsprechend passenden Programmen) zu wählen - weil es auf dem Handy so schön übersichtlich ist. So oder anders fallen irgendwann Vorbehalte, die bisher der Digitalisierung galten.

In dieser Situation hat mir das Interview mit den beiden Vertretern der Bundesjugend - Verbandjunger Menschen mit Hörbehinderung gut getan, das Sie in dieserAusgabe lesen können. Als „digital natives”gehen sie mitZoom, Chats und anderen digitalen Medien ganz selbstverständlich um, ohne auch nur entfernt „Nerds”zu sein. Auf der anderen Seite bestätigen sie von sich aus, dass der persönliche Kontakt und Austausch „in Präsenz” durch nichts zu ersetzen ist. Da denke ich immer wieder an die Kampagne der Aktion Mensch „ln welcher Gesellschaft wollen wir leben ?” Unser Leben, unseren Umgang miteinander und wie wir der Welt gegenübertreten: daran können wir ein Leben lang arbeiten. Ein Ort dafür ist auch - die Selbsthilfe.

Ihr
Norbert Böttges

Neues aus den Verbänden

  • der persönliche Kontakt ist so wichtig

Die Bundesjugend ist ein deutscher Selbsthilfeverband von und für junge Menschen mit Hörbehinderung jeden Grades. Der Verband bietet bundesweit Workshops, Seminare, Trefien und Freizeiten für Kinder; Jugendliche und junge Erwachsene im Alter bis 35 Jahren an. Mit dem Schriftführer Lucas Garthe und der Beisitzerin im Vorstand Lena Stöppler sprach Norbert Böttges.

Termine/Veranstaltungen

  • DSB-Selbsthilfetage 2023 in Stuttgart

Gemeinsam mit dem Landesverband der Schwerhörigen und Ertaubten Baden-Württemberg e. V lädt der Deutsche Schwerhörigenbund e. V (DSB) in diesem Jahr zu seinen Selbsthilfetagen nach Stuttgart ein. Unterstützt werden sie dabei vom DSB-Ortsverein Stuttgart und der Stuttgarter Selbsthilfegruppe des CIV-BaWu. Unter dem Motto „Zukunft barrierefrei gestalten“ treffen sich Interessierte und engagierte Menschen mit Hörbehinderung vom 6. bis 8. Oktober 2023 in der Stuttgarter Sparkassenakademie.

  • Inklusion in Glaubensgemeinschaften

Wie können schwerhörige und taube Menschen unterschiedlicher Religionen ihren Glauben ausüben? Zu diesem Thema hat der DSB-Landesverband Nordrhein-Westfalen (NRW) im März eine Fachtagung in Schwerte veranstaltet. Neben guten Ansätzen gibt es vor allem einen riesigen Nachholbedarf.